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Michael Schmidt
Von Ästhetik und freiem Willen
Sind wir frei zu entscheiden? Was ist schön? Was Vergnügen? Michael Schmidt, Universitätsassistent am Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, widmet sich in seiner Forschung diesen Fragen im Kontext der Kant-Rezeption im späten 18. Jahrhundert.
Michael Schmidt beschäftigt sich hauptsächlich mit der Philosophie Immanuel Kants und deren früher Rezeption im deutschsprachigen Raum Ende des 18. Jahrhunderts. Dabei legt er besonderen Fokus auf den deutsch-österreichischen Aufklärer Karl Leonhard Reinhold (1757-1823), der maßgeblich an der Popularisierung von Kants kritischer Philosophie beteiligt war. An Reinhold fasziniert Schmidt insbesondere die Flexibilität dessen Denkens und das unermüdliche und radikale Hinterfragen der eigenen Positionen, was mitunter auch dazu führte, dass Reinhold von seinen Zeitgenossen für seine daraus folgenden Positionswechsel verspottet wurde.

Über die Natur des Vergnügens
Schon die Masterarbeit von Michael Schmidt befasste sich mit dem Denken Reinholds. In Karl Leonhard Reinholds Theorie des Vergnügens: Konstellationen zwischen Ernst Platner und Immanuel Kant befasst er sich mit Reinholds ästhetischen Schriften, wobei als zentrale Quelle die Schrift „Ueber die Natur des Vergnügens“ herangezogen wird. Schmidt analysiert Reinholds Ansätze darin im Vergleich zu anderen Philosophen wie Jean-Baptiste Dubos, Louis-Jean Lévesque de Pouilly und Ernst Platner. Dabei kommt er zum Schluss, dass Reinhold in der Ästhetik eigenständige und innovative Ideen hatte, denen stärkere Aufmerksamkeit und Anerkennung zukommen sollte.
Die Theorie des Willens und der Triebe
Die Faszination, die Reinhold auf Michael Schmidt ausübt, ist nach dieser ersten Arbeit also keineswegs kleiner geworden. So widmet er sich in seinem Dissertationsprojekt „Karl Leonhard Reinhold’s Transcendental-Voluntarist Event-Causal Compatibilism“ dessen Theorie des freien Willens und der Triebe. Dabei verfolgt Schmidt zwei Ansätze: einen philosophiehistorischen und einen wissenschaftshistorischen. Wissenschaftsgeschichte umfasst nicht nur die Naturwissenschaften, sondern auch die Entwicklung der Geisteswissenschaften. Im 18. Jahrhundert gab es weitgehend noch keine eigenständigen Disziplinen wie Anthropologie und Psychologie, sondern diese Themen wurden meist philosophisch behandelt. In Reinholds Theorie der Willensfreiheit wird nun die Verbindung zwischen psychologischen und philosophischen Ansätzen besonders deutlich. Schmidt arbeitet dabei heraus, dass Reinhold – beeinflusst durch die Theorien des Mediziners und Philosophen Platners – eine eigene Triebtheorie entwickelt, die bei ihm, im Gegensatz zu Kant, eine wesentliche Rolle in der Theorie der Willensfreiheit einnimmt. Dabei ist für Michael Schmidt schon Reinholds Herangehensweise an das Problem der Willensfreiheit spannend, denn diesem geht es weniger darum, ob die Existenz des freien Willens theoretisch begründet werden kann oder nicht. Vielmehr legt Reinhold das Augenmerk darauf, ob und inwiefern wir uns als freie und moralisch verantwortliche Personen konzipieren können – d. h. wie und ob wir unseren Willen in konkreten Handlungen/Entscheidungsprozessen in der empirischen Welt umsetzen können.
Michael Schmidt studierte Psychologie und Philosophie an der Universität Graz. Sein Masterstudium Philosophie schloss er 2023 mit einer Arbeit zur Ästhetik des 18. Jahrhunderts ab, sie wurde 2024 unter dem Titel Die Ästhetik Karl Leonhard Reinholds: Transzendentalphilosophische Geschmackskritik vor Kant bei De Gruyter in der Reihe Reinholdiana veröffentlicht. Seit Februar 2025 ist Michael Schmidt Universitätsassistent (PraeDoc) am Zentrum für Wissenschaftsgeschichte und verfasst dort seine Dissertation bei Zentrumsleiter Simone De Angelis.