Neu an der Fakultät
Urh Ferlež
Imaginierte Heimaten
Wie wird die eigene Heimat aus der Ferne erinnert? Welche Faktoren beeinflussen dies? Was macht Nostalgie aus und wieso sind manche Bilder so stark in unseren Köpfen verankert? Diese und andere Fragen stellt Urh Ferlež in seiner Dissertation über Literatur slowenisch-stämmiger Emigrant:innen.
Urh Ferlež beschäftigt sich in seiner Dissertation mit den Werken Romanen slowenischer Autor:innen, die aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Epochen emigrierten, wie France Papež, Tone Rode, Zorko Simčič oder Tine Debeljak, deren Spuren er gerade im Rahmen eines Forschungsaufenthalts in Argentinien nachgeht. Was ihn dabei besonders interessiert ist, wie – über die Zeit hinweg – die eigene Heimat wahrgenommen bzw. erinnert wird. Wird sie dämonisiert oder idealisiert? Und wie werden diese Erinnerung innerhalb einer Emigrant:innen-Community – manchmal über Generationen hinweg – transportiert?
In seiner Forschung orientiert sich Ferlež unter anderem am, von Autor Salman Rushdie in der gleichnamigen Essay-Sammlung eingeführten, Begriff der „Imaginary Homelands“. Ferlež unterscheidet dabei nach Papež drei verschiedenen Formen des slowenischen Worts: das lebendige Wort innerhalb der Grenzen Sloweniens, das unterdrückte Wort in den Ländern, in denen die autochthone slowenische Minderheit lebt (insbesondere Italien und Österreich) und das sterbende Wort in der slowenischen Diaspora in der ganzen Welt.
Antizipierte Nostalgie
Um diese unterschiedlichen Heimaten, die in der Literatur abgebildete werden, genauer untersuchen und einordnen zu können, beschäftigt sich Urh Ferlež intensiv mit Autor:innen in Europa, Argentinien, den USA und Canada und führt – sofern noch möglich – Interviews mit diesen. Er bezieht sich dabei auch auf das Konzept einer „Nostalgie“, wie es in von Svetlana Boyms in der Studie „The Future of Nostalgia“ (metis 2009) angesprochen wird; sie geht darin der Frage nach, was Menschen am meisten vermissen und kommt zum Schluss, dass es nicht die großen Dinge oder die politischen Systeme, sondern ein Referenzrahmen des Alltäglichen, Banalen sind. Auf Basis dessen möchte Ferlež Unterschiede in den imaginierten Heimaten verschiedener slowenischer Exil-Communities finden, aber auch, ob es ein gemeinsames imaginiertes Heimatland gibt, beziehungsweise Elemente, die sich wiederholen.
Urh Ferlež hat französische und slowenische Sprachwissenschaft und Literatur an der Universität Ljubljana studiert und Forschungsaufenthalte in Köln, Triest, Vichy, Nice und Buenos Aires absolviert. Seit September 2024 ist er als PraeDoc am Institut für Slawistik bei Andreas Leben beschäftigt, wo er an seiner Dissertation „Looking backwards in space, looking backwards in time. The image of the homeland in the works of selected Slovene émigré writers“ schreibt.