Neu an der Fakultät
Dieter Bacher
Von Wiener Strizzis, Geheimdiensten und Aktenbergen
Wie „geheim“ waren und sind Geheim- und Nachrichtendienste wirklich und was kann man heute über ihre Aktivitäten in Österreich im Kalten Krieg erfahren? Fragen, denen sich Dieter Bacher nicht nur in seiner Forschung widmet, sondern auch in seiner Funktion als Wissenschaftsbotschafter.
Die Affäre Egisto Ott hat Spionageaktivitäten in Österreich wieder in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gebracht. Doch Österreich, insbesondere Wien, gilt schon seit der Nachkriegszeit als Drehscheibe für Nachrichtendienste aus Ost und West. Das liegt einerseits an der geografischen Lage des Landes und andererseits an der Vielfalt der Nationalitäten seiner Bewohner:innen, die gerne als Informant:innen angeworben wurden. Wien galt als gutes Operationsgebiet, sowohl für die Aufklärung, als auch für die Spionageabwehr. Österreich selbst, allerdings, war für die Dienste selten interessant.

Snatch – Counter Snatch
Dieter Bacher beschäftigt sich bereits seit seiner Studienzeit mit den Aktivitäten von Geheim- und Nachrichtendiensten im Österreich des Kalten Krieges. Dabei stößt er immer wieder auf dramatische Biografien, wie jene von Maria Subatsch. Sie war im Nachkriegswien als kleine Informantin für amerikanische Geheimdienste tätig. Ende der 1940er verschwand sie offiziell spurlos. Seit seiner Mitarbeit am Forschungsprojekt „Erschossen in Moskau“ unter der Leitung von Stefan Karner und Barbara Stelzl-Marx Forschungen zu Geheimdiensten befasste sich Bacher immer wieder mit ihrem Schicksal. Sie wurde am Ende eines Rendezvous von ihrem Geliebten, einem österreichischen Polizisten, an die sowjetische Spionageabwehr (MGB) ausgeliefert, monatelang verhört, wegen Spionage zu Tode verurteilt und ins berüchtigte Gefängnis Butyrka gebracht und erschossen. Jahre später wurde ihr Fall auch in Österreich aufgerollt, der Polizist wurde wegen Menschenraubs verurteilt und nahm sich schließlich das Leben.
Ein ähnlich gelagerter Fall ist jener des Wiener Strizzis und Zigaretten-Schmugglers Benno Blum. Seine Akten in Washington tragen den Namen „Snatch – Counter Snatch“. Auch er ließ sich von Geheimdiensten anwerben und wurde schließlich bei einem Zugriff der Geheimdienste im Schusswechsel getötet. Wer mehr über Blums Geschichte erfahren will, kann das in einer Fernseh-Dokumentation, an der Dieter Bacher als Experte mitgewirkt hat. Sie wird voraussichtlich Ende April auf ORF 3 ausgestrahlt werden.
Über die Geschichte der Geheim- und Nachrichtendienste und ihrer Aktivtäten in Österreich ist noch relativ wenig bekannt. Dieter Bacher hat die Thematik jedoch schon seit seiner Kindheit fasziniert. Und so befasst er sich auch in seinem Dissertationsprojekt „ Die Aktivitäten tschechoslowakischer Nachrichtendienste in Österreich aus britischer und US-amerikanischer Sicht im frühen Kalten Krieg“ mit der Materie, die er auch in Zukunft noch weiter erforschen möchte.
Dafür braucht man jedoch viel Geduld und Know-how; arbeitet man doch vorwiegend mit Akten, die man erst ausfindig machen, sichten und deren Informationsgehalt man mühevoll verifizieren und prüfen muss. Doch aus Bachers Sicht lohnt sich die Arbeit. Man erhält nicht nur Einblick in historische Entwicklungen oder darüber, wie Entscheidungsprozesse im Kalten Krieg abgelaufen sind, sondern lernt auch viel über die operative Methodik der Geheimdienste und über ihren Umgang mit Informationen. Und dies sei schließlich deren Kerngeschäft, denn die eigentliche Profession der Geheimdienste ist nicht wie James Bond zu agieren, sondern Beschaffung und Analyse von Informationen.
Was hat Wissenschaftskommunikation mit Geheimdiensten gemeinsam?
Der Umgang mit Information und Quellen ist Bacher auch außerhalb seiner Forschung ein Anliegen. Daher ist er auch – unter anderem über die neue BMBWF Initiative „Wissenschaft trifft Schule“ – als Wissenschaftsbotschafter tätig.
Was ist Wissenschaftlichkeit eigentlich? Wie funktioniert sie? Wie komme ich zu Informationsquellen? Wie bewerte ich überhaupt Informationen? Das sind Fragen, die Bacher in seinen Workshops an Schulen zunächst stellt. In der Flut von Informationen, denen wir heute ausgeliefert sind, ist es relevant zu beurteilen, welchen man vertrauen kann. Quasi Nachrichtendienst-Arbeit. Denn vor allem gezielte Desinformation ist immer schwieriger zu erkennen. Dabei hat Bacher einen Leitsatz, auf den er immer wieder in der Unmenge an Aktenbergen, die er bereits gesichtet hat, gestoßen ist: Wenn es nur eine Quelle gibt, dann geh davon aus, dass die Information nicht stimmt.
Dieter Bacher hat an der Universität Graz Geschichte studiert und verfasst derzeit seine Dissertation zum Thema „Die Aktivitäten tschechoslowakischer Nachrichtendienste in Österreich aus britischer und US-amerikanischer Sicht im frühen Kalten Krieg“ bei Barbara Stelzl-Marx. Er ist Mitglied der „International Intelligence History Association“ (IIHA) und Mitherausgeber des „Journal of Intelligence, Propaganda and Security Studies (JIPSS). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Nachrichtendienste im Österreich des Kalten Krieges und Flüchtlinge und „Displaced Persons“ im Nachkriegsösterreich. Seit Herbst 2024 ist Dieter Bacher als PräDoc am Institut für Geschichte tätig.