Stories - Innovation und Inspiration
Digitales Puzzlespiel - 1500 Jahre alte Altarplatte zusammensetzen
Gefragt sind passionierte Puzzle-Spieler:innen. Die Aufgabe: eine in viele kleine Einzelteile zerbrochene, 1500 Jahre alte Altarplatte aus Marmor, die zur Ausstattung der frühchristlichen Bischofskirche in Lavant/Osttirol gehörte, wieder zusammenzusetzen. Die besondere Challenge: Es sind nicht mehr alle Bruchstücke vorhanden und die verbliebenen Fragmente weisen Absplitterungen auf.
Nachdem Archäolog:innen seit den 1950er Jahren mehrmals Anläufe unternommen hatten, die Fragmente zusammenzufügen, wurden nun neue Wege beschritten: Die Bruchstücke wurden restauriert und unter der Leitung der Archäologen Stephan Karl und Paul Bayer digitalisiert. Gemeinsam mit Reinhold Preiner, Informatiker der TU Graz, wurde ein digitales Puzzlespiel kreiert. Dabei werkeln die Spieler:innen nicht allein, sondern gleichzeitig und gemeinsam mit anderen Interessierten, die aus der gesamten Bevölkerung stammen, denn „Leute, die nicht vom Fach sind, bringen neue Perspektiven ein. Außerdem bietet so ein Projekt die Chance, Menschen für Wissenschaft zu begeistern und Hemmschwellen abzubauen“, sagt Karl. Diese Art der Wissenschaftsvermittlung – „Open Reassembly“ – könnte in Museen eingesetzt werden, „um Archäologie lebendig und spielerisch erfahrbar zu machen.“
Wer mitpuzzeln möchte hat hier die Möglichkeit dazu.
Auf der Buch Wien (20.–24. November 2024) legte das digitale Puzzlespiel einen richtig großen Auftritt hin: Die Besucher:innen der größten Buchmesse Österreichs konnten sich in der Science Lounge unter dem Motto “Gemeinsam gegen Wissenschaftsskepsis” über das spannende Projekt informieren. Und speziell für eine junge Zielgruppe (Kinder und Jugendliche) stand der Workshop „Mitforschen: Gaming 4 Science“ am Programm.
Kritisches Denken als Weg aus der Sackgasse
Klimawandel, soziale Spaltung und autoritäre politische Entwicklungen sind nur einige der riesigen Herausforderungen unserer Zeit. Zur Bewältigung brauchen wir zuallererst ein Bewusstsein dafür, welche Ideen und Überzeugungen uns dorthin gebracht haben, ist Translationswissenschaftler Stefan Baumgarten überzeugt. Er wünscht sich ein radikales Denken, „kritisch, wild und offen“. Was auch bedeutet, komplex zu denken, Wissenschaft, Empathie und Emotionen einzubeziehen, statt zu polarisieren. Musikwissenschaftlerin Susanne Kogler knüpft an und betont die Bedeutung der Selbstreflexion als großen Beitrag für eine kritische Praxis. Es ist zu beleuchten, wie Denkmuster und Ideologien unsere Wahrnehmung prägen und wie unsere Wahrnehmung ein kritisches Denken befördern oder auch verhindern kann.
Die beiden Wissenschaftler:innen haben das Forschungsprojekt „Radikales Denken im Anthropozän“ initiiert.
Sichtbare Geschichte
Alte Atlanten, einzigartige Stadtansichten, geheime Briefe und wertvolle wissenschaftliche Dokumente aus Sammlungen der Universität Graz wurden penibel digitalisiert und technologisch zukunftsfit gemacht.
Finanziert durch Mittel des Bundesministeriums für Kultur und Sport, schlossen sich 2023 die Institute für Sprachwissenschaft und Digitale Geisteswissenschaften, das Universitätsarchiv, die Universitätsmuseen sowie die Sondersammlungen der Universitätsbibliothek zusammen, um im Rahmen des Projekts „Kulturerbe digital“ einige ihrer historischen Bestände nachhaltig zu sichern. Die Objekte wurden gescannt, mit Metadaten angereichert und auf verschiedenen ➡ Online-Plattformen veröffentlicht.
55.000 Werke stehen nun der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung und offenbaren ein Stück kulturelle Identität.
Brauchen wir überhaupt noch Übersetzer:innen?
Dank Google Translate, DeepL oder ChatGPT lassen sich Kommunikationsbarrieren per Mausklick überwinden. „Die Ergebnisse klingen gut und werden immer brauchbarer. Die Programme lernen aber fast ausschließlich von menschlichen Übersetzungen“, betont Michael Tieber, Universitätsassistent am Institut für Translationswissenschaft. Und das sei eine reine Rechenleistung, denn „die Programme wissen nicht, was sie tun. Sie haben Schwierigkeiten mit Phänomenen, die in den Trainingsdaten nicht vorkommen“, schildert der Forscher. Inhaltliche Defizite, falsche oder im Zusammenhang unpassende Begriffe sind deshalb keine Seltenheit.
Wie soll man am besten mit dem maschinellen Übersetzungsangebot umgehen? Sich einen Übersetzungsvorschlag liefern lassen, ist kein Fehler. „Ich muss aber als Mensch einschätzen können, wie weit dieser verwendbar ist und wo er abgeändert gehört“, präzisiert der Forscher. Übersetzen ist nicht einfach das Austauschen von Wörtern, neben den korrekten Fachausdrücken geht es auch um den Stil, der zur Situation passen muss. Es geht also auch um Empathie.
Die Universität Graz ist dabei, die Studienpläne anzupassen und digitale Kompetenzen und Übersetzungstechnologien stärker zu integrieren. „Gleichzeitig wollen wir das Bewusstsein vermitteln, dass Menschen nach wie vor einen großen Mehrwert gegenüber Maschinen bieten“, beschreibt Tieber.
Kann künstliche Intelligenz Kunst schaffen?
KI ist in der Lage, Texte zu schreiben, Fotos zu machen, Bilder zu malen, zu komponieren. Aber ist das dann noch Kunst? „Ja, auch wenn das heftig debattiert wird“, meint dazu Musikwissenschaftlerin Susanne Kogler. „Künstler:innen reagieren auf ihr Umfeld, befassen sich kritisch mit ihrer Zeit und loten auch die Grenzen der technischen Möglichkeiten aus, zumindest nach einem avantgardistischen Kunstverständnis.“ Es sei ihre Aufgabe, gegen den Mainstream zu arbeiten, Gewohnheiten zu durchbrechen, die Grenzen der Tradition zu sprengen
Entsprechend will Kogler die Möglichkeiten der neuen digitalen Werkzeuge auch zum Inhalt von Lehrveranstaltungen machen. Es gilt, die Tools gezielt einzusetzen und die von der KI generierten Ergebnisse dann richtig zu beurteilen. Automatisiert produzierte Werke, wie sie die Unterhaltungsindustrie bereits verwendet, betrachtet die Forscherin allerdings kritisch: „Fortschritt und Erneuerung gelingen nicht ohne menschliches Zutun“, ist Susanne Kogler überzeugt.
Kompetenter mit KI
Automatisierte Übersetzungsprogramme können das Zusammenleben erleichtern, ist Boban Arsenijevic überzeugt. Der Professor für Slawische Sprachwissenschaft ist Experte für Computerlinguistik und arbeitet daran, die Kompetenzen von Absolvent:innen zu verbessern.
„Selbst kostenlose KI-Systeme erleichtern den Zugang zu Informationen, weil sie Inhalte in verschiedenste Sprachen übersetzen können. Zudem sind sie immer verfügbar und außerdem viel schneller und effizienter als Menschen“, fasst Boban Arsenijevic zusammen.
Der Forscher arbeitet selbst daran, solchen automatisierten Tools das richtige Reden beizubringen (siehe UNIZEIT 1/2020). Er sieht in der Maschine einen großen Mehrwert: „Die künstliche Intelligenz ist in der Lage, große Datenmengen zu analysieren, Muster zu extrahieren und datengestützte Vorhersagen zu treffen. Damit bereichert sie die Mehrsprachigkeit in einer Weise, die wir Menschen so nicht schaffen würden.“
Der Slawist trainiert aber nicht nur Maschinen, die zeitgemäße Ausbildung seiner Studierenden ist ihm ein ebenso großes Anliegen. Und dabei hebt er den hohen Stellenwert von Problemlösungskompetenz, kritischem Denken, Datenanalyse und Managementkompetenzen hervor.
Lernen leicht gemacht
„Die passende Umgebung sowie einfach und übersichtlich gestaltete Unterlagen helfen unheimlich weiter“, erklärt dazu Elke Höfler, Assistenzprofessorin für Medien- und Sprachendidaktik am Institut für Romanistik. Das menschliche Gehirn habe nämlich einen begrenzten „Arbeitsspeicher“, und jede Art von Ablenkung – dazu zählt sie nicht nur die Party in der Nachbarwohnung, sondern auch üppige Formatierungen, unnütze Grafiken oder irrelevante Zusatzinfos im Skript – verbraucht Kapazitäten, die für das Lernen dann fehlen.
Um die Merkfähigkeit zu erhöhen und das Verständnis zu vertiefen, empfiehlt Höfler, möglichst viele Sinne einzubeziehen: „Wenn man eine Passage aus einem Skript auf einem Bein oder einem Balance Board stehend oder im Gehen laut liest, kann das helfen, solange man sich dabei auch wohlfühlt.“ Eher für die Bibliothek geeignet als die Turnübungen ist handschriftliches Notieren. „Die Bewegung der Hand stimuliert das Hirn, außerdem fassen wir dabei meist das Wesentliche schon zusammen“, weiß die Forscherin.
Für das Lernen in Gruppen spricht ebenfalls einiges: Wenn man Fragen stellt und beantwortet, über die Inhalte diskutiert, bleiben sie schneller hängen. Alleine ist man dann effizient, wenn man sich aktiv an die Unterlagen heranmacht. „Unterstreichen, Zusammenfassen, Mindmaps oder Infografiken Zeichnen stellt Querverbindungen her und lässt uns das Gelernte besser behalten“, erklärt Höfler. Ausführliche Tipps samt wissenschaftlicher Erklärung gibt sie in ihrem Blog Digitalanalog.
Namenlose antike Texte als vielversprechende Quellen
„Die Rezeption antiker Werke sehen wir durch eine stark verengte Linse. Es ist das erhalten, was vor allem in den kaiserzeitlichen und spätantiken Schulen weitergegeben und in den Schreibstuben mittelalterlicher Klöster abgeschrieben wurde“, so Markus Hafner. Das sei aber nur ein schmaler Ausschnitt der Wirklichkeit, der vor allem die patriarchalisch dominiert Gesellschaft berücksichtige.
Hafer beschäftigt sich im Rahmen eines Projekts, für das er kürzlich einen prestigeträchtigen Starting Grant des European Research Council erhalten hat, mit anonymen Texten wie etwa Graffiti, Sinnsprüchen und Witzen. Diese spiegeln die Diversität und Buntheit der Antike wider und geben bislang ungehörten Stimmen Raum.
Ist gleich gerecht?
Der Rechtspopulismus entwirft sie als Ideal: eine Gesellschaft, in der alle dieselben Wertvorstellungen und Normen haben, nach denen sie beurteilen, was richtig und was falsch ist. Wo das „Normale“ das Maß aller Dinge ist und Personen mit „anderen“ Bedürfnissen und Wünschen keinen Platz haben. Aber wie verträgt sich dieser Entwurf mit dem Grundsatz, dass alle Menschen gleichen Wert haben, gleiche Rechte genießen und dieselben Ansprüche stellen dürfen? Ein Gedankenexperiment mit dem Philosophen Elias Moser.
Cancel Culture gibt es nur in den sozialen Medien
Lesungen von Drag-Queens würden unsere Kinder gefährden. Das Gendern sei für nichts. Und eine sehr enge Definition, was überhaupt normal ist. Die Gesellschaft schien schon einmal offener. Bewegen wir uns wieder rückwärts?
Das verneint die Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Heidrun Zettelbauer. Sie führt ins Rennen, dass die teils erbittert geführten Debatten nicht die Einstellung des Gros der Gesellschaft widerspiegeln. Es sei vielmehr ein von gewissen politischen Gruppierungen ausgerufener „Kulturkampf“, der vorwiegend in den sozialen Medien geführt werde. Mit der analogen Welt habe das wenig zu tun, hier - in unseren Umgangsformen, im breiten politischen Austausch oder auch im Kulturbetrieb - zeige sich ein anderes Bild. Denkverbote bzw. so etwas wie „Cancel Culture“ seien nicht zu orten, Heidrun Zettelbauer betont letztlich die einer demokratische Gesellschaft inhärente Chance auszuhandeln, worüber wir wie sprechen können oder wollen.
Zwischentöne
Wie sehr beeinflusst Sprache unsere Sicht auf die Welt? Können wir wirklich nur das wahrnehmen, wofür wir auch Worte haben? Und macht uns die vielfältige Ausdrucksfähigkeit schlauer?
Wer mehrere Sprachen spricht, hat üblicherweise auch ein besseres Verständnis für andere Kulturen, weil sie oder er gewohnt ist, mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zu kommunizieren“, fasst Sprachwissenschaftlerin Hermine Penz zusammen. Mehrsprachigkeit erhöht sowohl unsere Kreativität als auch die Fähigkeit, uns auf ungewohnte Situationen einzulassen. Sie verändert auch unsere Sicht auf die Welt, weil jede Sprache anders funktioniert und daher nie eins zu eins in eine andere übersetzt werden kann.
Wort-Schatz
Die von der Niederösterreichischen Regierung geplante Deutschpflicht im Schulhof hat Ende März für Schlagzeilen gesorgt und wieder gezeigt: Mehrsprachigkeit wird in Österreich oft als Manko angesehen, wenn es um Menschen mit nichtdeutscher Erstsprache geht. Dabei überwiegen die Vorteile, wenn man sie zu nutzen weiß, erklärt Barbara Hinger.
Warnende Visionen
Buch, Bildschirm und Leinwand sind Spiegel der Wirklichkeit: Fiktive Werke zeigen seit jeher, „wo wir als Gesellschaft stehen und wohin wir uns entwickeln könnten, wenn wir weitermachen wie bisher“, schildert Stefan Brandt, Literatur- und Kulturwissenschafter am Institut für Amerikanistik.
Und meistens schauen diese Szenarien recht düster aus. „Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es in der Belletristik kaum mehr positive Entwürfe der Zukunft“, bestätigt Klaus Kastberger, Leiter des Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung.
Aber warum ist das so?
Demokratie lernen und lehren
Die eine ideale oder richtige Demokratie gibt es nicht. Demokratie ist immer in Bewegung. Wer sich dieser Herausforderung im Unterricht stellt, darf also nicht vor Unsicherheiten zurückschrecken, muss Deutungshoheit und Macht abgeben und einen Perspektivenwechsel zulassen.
"In österreichischen Schulbüchern wird das Thema Demokratie nach wie vor als Erziehungsprojekt einer männlichen, weißen Elite der westlichen Welt wiedergegeben. Als Erfolgsstory aus Sicht der Sieger“, beschreibt der Historiker und Geschichtsdidaktiker Christian Heuer. Andere bleiben dabei meist ungehört - kaum ein Wort über oder von Migrant:innen, Arbeiter:innen oder Frauen.
Angst vorm Altern
Wie Nationalist:innen in Südosteuropa von negativ besetzten Altersbildern profitieren, zeigt ein internationales Forschungsteam
Jedes Land in Europas Süden hat mit eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Eine kollektive Angst eint sie aber: die Furcht vor Überalterung. „Weil die Menschen immer länger leben und die Jungen verstärkt abwandern, ist die Erzählung entstanden, dass ganze Nationen vom Aussterben bedroht sind“, schildert der Historiker Florian Bieber.
Ulla Kriebernegg vom Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung ergänzt: „Das Alter wird auch in dieser Region oft als Gefahr dargestellt. Nicht nur in politischen Kontexten, sondern auch in der Alltagssprache; in künstlerischen Darstellungen zeigen sich aber oft alternative Altersbilder“.