3 Fragen an...
Mitarbeiter:innen und Studierende der Geisteswissenschaftlichen Fakultät
Moritz Kern
Student, Bachelorstudium Sprachwissenschaft
Weshalb haben Sie sich entschieden, gerade Sprachwissenschaften zu studieren und würden Sie es wieder tun?
Die Entscheidung, Sprachwissenschaft zu studieren, wurde anfangs ohne Plan und mehr mit dem Gedanken, dass mich Sprachenlernen interessiert, gemacht. Rückblickend merkwürdig, weil eigentliches Lernen bei einem anderen Studium, wie Translationswissenschaft, wahrscheinlich eher dabei gewesen wäre, aber ich bereue es nicht. Die Strukturen von Sprachen zu verstehen, wie sie funktionieren, übergreifende Gemeinsamkeiten kennenzulernen: das ist für mich auch sehr spannend und hilft tatsächlich auch manchmal beim Sprachenlernen selbst. Darum würde ich auf jeden Fall wieder Sprachwissenschaft wählen, wenn auch mit einem besseren Plan für meine Zukunft.
Was war für Sie die faszinierendste Lehrveranstaltung?
Für mich waren die Vorlesung und das Proseminar Historische Sprachwissenschaft eindeutig ein Wendepunkt. In den ersten zwei Wochen wurde uns gezeigt, dass es Gesetze gibt, nach denen Sprachen sich weiterentwickeln und mit denen man zu einer Sprachstufe zurückkommen kann, die vor Jahrhunderten oder sogar mehr als tausend Jahren gesprochen wurde. Ich liebe es, solche Regelmäßigkeiten und Verbindungen zu finden, aber mir gefällt auch der Gedanke, eine besondere Beziehung zu Menschen aufzubauen, die vor langer Zeit gelebt haben.
Welche Sprache finden Sie als Linguist am spannendsten?
Je mehr ich über eine Sprache weiß, desto mehr merkwürdige Details kenne ich und umso spannender finde ich sie. Ich liebe es, etwas über das Deutsche zu lernen, seien es grammatische Regeln, die meine eigene Sprachverwendung für mich selbst erklären oder die geschichtliche Entwicklung des Deutschen. Aber ich wollte schon immer eine Sprache lernen, die nicht das lateinische Alphabet verwendet und lerne jetzt seit zwei Jahren Chinesisch, eine Sprache, in der es nicht nur innerhalb des sprachlichen Systems viel zu entdecken gibt, sondern die auch Teil einer komplett anderen Kultur ist. Ich könnte nicht sagen, dass ich eine interessanter finde als die andere, aber es gibt ganz unterschiedliche Gründe für mein jeweiliges Interesse.
Olaf Terpitz
Senior Scientist, Centrum für Jüdische Studien
Sie befassen sich insbesondere mit europäisch-jüdischer Literatur und Russisch als einer jüdischen Sprache. Was macht eine jüdische Sprachkultur aus? Was kann man sich darunter vorstellen?
Seit der jüdischen Aufklärung, der Haskala, die sich ab dem späten 18. Jahrhundert in Europa entfaltete und auf eine Öffnung der jüdischen Welt und zugleich die Emanzipation der jüdischen Bevölkerung abzielte, entstanden für die jüdische Literatur ganz neue Möglichkeiten, was Themen, Motive, Interaktionen mit anderen Literaturen anbelangte. Ebenso betraf dies die Sprache – moderne jüdische Literatur wurde nun in verschiedensten Sprachen verfasst, sei es weiterhin auf Hebräisch, Jiddisch oder Ladino, oder aber sei es nunmehr auch auf Deutsch, Russisch, Polnisch oder Englisch. Die Sprachwahl berührte und berührt damit Prozesse von Wahrnehmung, von Wechselbeziehungen, von Übersetzung und Migration etc., wie sie uns ganz aktuell in der Auseinandersetzung mit globaler werdenden Gesellschaften begegnen. In der jüdischen Sprachkultur verschränken sich so gesellschaftliche, historische, kulturelle Entwicklungen, Herausforderungen und Fragestellungen.
Welchen Roman bzw. welche:n Autor:in würden Sie immer sofort empfehlen, wenn Sie nach einem guten Einstieg in die europäisch-jüdische Literatur gefragt werden?
Oh, da gibt es eine Reihe von Autor:innen, die ich gern nennen möchte. Blicken wir zunächst nach Österreich: da wären auf jeden Fall so unterschiedliche Autor:innen zu nennen wie Joseph Roth (er wurde im galizischen Teil der Doppelmonarchie geboren und beschrieb in Romanen wie „Kapuzinergruft“ deren Untergang), der aus Prag stammende Leo Perutz (der der Figur des Rabbi Löw zu Zeiten Rudolf II. ein literarisches Denkmal setzte in „Nachts unter der steinernen Brücke“), Friedrich Torberg, der in seiner „Tante Jolesch“ (selbst-)ironisch Anekdoten über „wunderliche Käuze“ der Doppelmonarchie versammelte, oder ganz aktuell Vladimir Vertlib und Julya Rabinowich, und selbstverständlich nicht zuletzt Franz Kafka. Wenn wir weiter schauen in Europa und der Welt, zeigt sich ein vielfältiges Schaffen in verschiedensten Sprachen. Der Roman des israelischen Schriftstellers Amos Oz „Eine Geschichte von Licht und Finsternis“ aber mag die europäisch-jüdische Literatur insbesondere gut konturieren: Angelegt als Autobiografie, als Biografie seiner Familie und zugleich des Staates Israel beschreibt Oz unter anderem seinen Onkel David, der in Wilna, dem heutigen Vilnius, in der Zwischenkriegszeit eine Professur für Literatur innehatte, als „überzeugten Europäer“, für den „die Literaturen Europas seine geistige Heimat [waren]“. Der Zivilisationsbruch der Shoah bereitete dem ein Ende.
Sie leiten in diesem Semester ein Seminar über Humor in jüdischen Literaturen und Kulturen. Was sind typische Merkmale eines jüdischen Humors?
Humor ist individuell, ist aber auch gruppenorientiert und vor allem gebunden an einen zeitlichen und kulturellen Kontext. Die Frage ist, wer versteht die entsprechenden Anspielungen? Wie vermittle ich Studierenden, dass jüdischer Humor, der aus dem osteuropäische Shtetl über die Metropolen Europas (wie die Kabarettisten Fritz Muliar oder Fritz Grünbaum) nach Amerika (die Sitcom „The Nanny“) oder Israel (mit Ephraim Kishons Satiren oder der Netflix-Serie „The Marvelous Mrs. Maisel“) gelangt ist, gebunden ist an jeweilige Lebensrealitäten und -verständnisse? Über jüdischen Humor wurde viel geschrieben in den letzten Jahrzehnten. Die selbstironische und -kritische Auseinandersetzung mit der Welt, mit ihren Konflikten scheint dabei ein zentrales Moment, wie sie in dem Bonmot von Golda Meir aufscheint: „Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß“.
Johannes Scherling
Lehrbeauftragter, Institut für Anglistik
Was bedeutet es eigentlich, ein Lehrbeauftrage:r an der Universität zu sein?
Für mich bedeutet es ein großes Privileg, nämlich tagtäglich mit jungen, interessierten und kritischen Menschen arbeiten zu können, die mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen und von denen ich auch noch lernen kann. Das Schöne im Vergleich zur Schule ist, dass sich die Studierenden selbst für das Studium entschieden haben und somit bereits das Interesse für das Fach als solches mitbringen – man muss ihnen nur noch mit Respekt und mit Begeisterung für das eigene Fach entgegentreten.
Was fasziniert Sie an anglistischer Sprachwissenschaft besonders?
Ich unterrichte ja nicht nur Sprachwissenschaft, sondern auch Kulturwissenschaft, und mit diesen beiden Bereichen kann man ein sehr breites Spektrum abdecken – von sprachwissenschaftlichen Kernthemen bis hin zur kritischen Medienanalyse und Themen wie Neokolonialismus und Stereotypen ist da alles drin. Da es mir ein Anliegen ist, den Studierenden etwas zu bieten, das für ihre Zukunft von Relevanz sein kann, sind diese beiden Bereiche kombiniert für mich das ideale Vehikel, um ihnen wichtige Phänomene und Zusammenhänge der heutigen, immer noch von englischsprachigen Ländern und deren eurozentrischen Ideologien dominierten Welt näherzubringen.
Was war Ihr schönster Moment als Lehrender?
Da gibt es viele, aber generell ist es für mich immer ein schöner Moment, in eine Runde interessierter Augen zu blicken und in Diskussionsrunden zu sehen, dass Studierende sich trauen, ihre eigene Meinung auszudrücken, selbst wenn diese mal nicht dem Mehrheitskonsens entspricht. Auch wenn in vielen Fällen – vielleicht auch mal abhängig von der Kurszeit, so hoffe ich – die müden Augen bisweilen in der Mehrheit sind.
Birgit Tauscheck
Office Managerin, Institut für Geschichte
Wie lange arbeiten Sie schon an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät/am Institut für Geschichte?
An der Fakultät arbeite ich jetzt schon seit fast 33 Jahren. Zuerst als jugendliche Schreibkraft, damals gab es noch echt viel zu schreiben, dann als Abteilungssekretärin und jetzt als Institutssekretärin bzw. Office Managerin, wie das jetzt so schön heißt.
Was ist das Seltsamste, das Sie je in Ihrem Job erlebt haben?
Es sind so viele seltsame, schräge und auch komische Sachen passiert. Hätte ich gewusst, dass ich so lang hier sein werde und was hier alles passiert, hätte ich mir das alles aufgeschrieben und das würde ein Buch füllen. Das glaubt einem kaum einer, was da so manchmal passiert.
Gibt es etwas, das Sie besonders vermissen würden, wenn Sie nicht mehr hier arbeiten werden?
Die sehr große Vielfalt an Menschen. Es kommen die nettesten, aber auch schrägsten Menschen aus dem In- und Ausland aus allen Altersgruppen bei mir vorbei. Und ich hoffe, dass ich ihnen auch nach 33 Jahren noch immer freundlich, aber bestimmt, weiterhelfen kann. Denn dafür sitz ich ja hier!
Judith Laister
Assozierte Professorin, Institut für Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie
Womit beschäftigt sich eigentlich eine Kulturanthropologin?
Als Kulturanthropologin beschäftige ich mich mit dem Verhältnis von Mensch (griech. anthropos) und Kultur. Dabei stelle ich zuallererst die Frage: Was wird in Geschichte und Gegenwart, in verschiedenen Gebrauchskontexten und Gesellschaften weltweit, unter „Mensch“ und was unter „Kultur“ verstanden? Diese grundlegende Begriffsarbeit geht einher mit der Frage, wie Menschen ihr Leben und Zusammenleben organisier(t)en, gestalte(te)n und mit Sinn ausstatte(te)n. Die Entwicklung und Bedeutung von Bildern, Erzählungen, Schriften und Handlungsweisen sind dabei ebenso von Interesse wie die Herstellung und der Gebrauch von Dingen, Techniken, Gebäuden und Städten oder der Umgang mit Tieren, Pflanzen und topografischen Merkmalen wie Bergen oder Gewässern. Kurz: Kulturanthropologie erforscht das, was uns zu Menschen macht und übernimmt dabei mit Verantwortung für ein friedliches Zusammenleben aller Erdbewohner:innen.
Sie forschen auch zu Kunst im öffentlichen Raum. Was ist für Sie daran besonders interessant?
Ich habe auch Kunstgeschichte und Bildnerische Erziehung studiert, in Museen und Schulen gearbeitet und mich in meiner Forschung und Lehre stets mit den produktiven Schnittstellen zwischen Kulturanthropologie, Kunst und Vermittlungsarbeit beschäftigt. Die sogenannte „Kunst im öffentlichen Raum“ stellt ein Forschungsfeld dar, in dem sich diese Bereiche auf dichte Weise überlagern. In Überschneidung mit meinem Forschungsschwerpunkt der Stadtanthropologie interessieren mich vor allem städtische Schauplätze von „partizipativen Kunstprojekten“, in denen Künstler:innen unter Beteiligung von Stadtbewohner:innen und -besucher:innen ästhetische Zeichen im urbanen Raum setzen. Beispiele, an denen ich selbst mitgewirkt habe, sind etwa die Kunstprojekte „Keine Denkmale. Zur Geschichte von Arbeit und Einwanderung“ (Künstlerin: Kristina Leko) oder „Weil es so viele sind“ (Künstlerin: Elisabeth Schmirl). Dabei treffen höchst unterschiedliche Formen der Vorstellung und Wahrnehmung von Stadt und Gesellschaft aufeinander, deren kulturanalytische Betrachtung zum Verstehen signifikanter sozialer Fragen der Gegenwart beitragen kann.
Was ist Ihnen in der Lehre ein besonderes Anliegen? Was möchten Sie Ihren Student:innen mitgeben?
Neben einer möglichst anregenden, lebensnahen Vermittlung kulturwissenschaftlicher Grundlagen möchte ich Studierende im Sinne einer forschungsgeleiteten Lehre an der Findung und Bearbeitung meiner eigenen Forschungsthemen teilhaben lassen. Wichtig ist mir dabei, den forschenden Blick der Studierenden sowohl im Hörsaal durch Lektüre und Diskussion wissenschaftlicher Texte, als auch in Form von Feldübungen vor Ort – vor allem im städtischen Raum – zu schärfen. Im Besonderen möchte ich den Studierenden auf ihrem beruflichen Weg mitgeben, dass die differenzierte Erhebung, Präsentation und Zirkulation von Wissen nicht nur eine spannende und schöne, sondern vor allem auch eine Aufgabe mit hoher gesellschaftlicher Verantwortung ist.
Ingeborg Zechner
Projektleiterin zweier laufender FWF-Projekte
Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist Filmmusik der 1930er- bis 1960er-Jahre. Was ist das für Sie das Spannendste an diesem Thema?
Die 1930er- und 1960er-Jahre sind für mich eine besonders spannende Zeit eines umfassenden medialen und ästhetischen Wandels: Letztlich werden in dieser Zeitspanne die Grundlagen für Filmmusik gelegt, wie wir sie heute kennen. Das internationale Durchsetzen der Technologie des Tonfilms um 1930 bot neue Möglichkeiten für Musik in audiovisuellen Kontexten – bis Ende der 1960er-Jahre verbesserten sich die Wiedergabe- und Aufnahmetechnologien im Bereich der Filmmusik zudem kontinuierlich. Gleichzeitig ist diese Zeitspanne in einem globalen Kontext auch politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich ereignisreich.
Für mich besonders spannend ist daher, wie sich Filmmusik in den komplexen Kontext dieser Zeit einordnet. Dieser wird im Bereich der Musik auf der einen Seite von den angesprochenen technologischen Innovationen geprägt, auf der anderen Seite verorten sich Filmkomponisten in dieser Zeit noch stark in einer traditionellen kunstmusikalischen Historiographie – und das im Kontext des auf Unterhaltung und Profit ausgerichteten Hollywood-Films.
Sie leiten das FWF-Forschungsprojekt „GuDiE“, das sich an der Schnittstelle zwischen Musikwissenschaft und Digital Humanities bewegt. Dabei soll eine Digitale Edition von Gumpenhubers Theater Chroniken erstellt werden. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Ballettmeister Philipp Gumpenhuber erstellte Mitte des 18. Jahrhunderts im Auftrag von Maria Theresia einen Überblick über alle Aktivitäten der Wiener Hoftheater. Die Chroniken von Gumpenhuber erfassen daher im Zeitraum 1758–1763 sämtliche Details des Theaterlebens am Wiener Hof: Darunter zählen Informationen zu den aufgeführten Opern, Balletten und Theaterstücken, aber auch Informationen über die Proben und Details zu Pannen im Theaterbetrieb, wie krankheitsbedingte Stückänderungen.
Heute sind Gumpenhubers Chroniken allerdings durch den Atlantik getrennt: Ein Teil der erhaltenen Chroniken befindet sich in der Houghton Library der Harvard University und ein anderer Teil in der Österreichischen Nationalbibliothek. Die digitale Edition (Gumpenhuber Digital Edition; kurz: GuDiE) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Chronik im digitalen Raum wieder zusammenzuführen und um innovative Visualisierungsoptionen zu ergänzen. Es wird in Zukunft für eine interessierte Öffentlichkeit möglich sein, mittels einer Spielplanansicht sehen zu können, was, wann, mit welchen Mitwirkenden, an welchem Theater in Wien aufgeführt wurde. Auch wer sich schon mal die Frage gestellt hat, wie für eine Opernaufführung im 18. Jahrhundert geprobt wurde oder welche Adeligen von anderen Höfen zu welchen Anlässen am Wiener Hof zu Gast waren, wird bei GuDiE fündig.
Was würden Sie jungen Menschen raten, die überlegen Musikwissenschaft zu studieren und was macht Graz aus Ihrer Sicht zu einem besonderen Standort für Forschung im Bereich der Musik- und Kunstwissenschaften?
Probieren Sie es einfach aus und lassen Sie sich überraschen! „Musikwissenschaft“ ist ja ein sperriger Begriff unter dem man sich zunächst einmal schwer etwas vorstellen kann. Ich bin aber davon überzeugt, dass Musikinteressierte im Rahmen des Studiums Musikwissenschaft vermeintlich Bekanntes mit neuen Ohren hören werden. Als Tipp: Versuchen Sie mal beim nächsten Netflix-Serienabend bewusst auf die Musik zu hören! Musik ist aus dem Alltagsleben nicht wegzudenken. Entsprechend arbeiten Musikwissenschaftler:innen in vielfältigen Berufsfeldern: Das geisteswissenschaftliche Studium der Musikwissenschaft vermittelt die Kompetenzen sich neue musikbezogene Berufsfelder zu erschließen.
Eine Besonderheit für musik- und kunstwissenschaftliche Forschung am Standort Graz ist das Vorhandensein einer geisteswissenschaftliche Fakultät mit einer großen disziplinären Vielfalt. Musik als Kunstform versteht und verstand sich immer in Relation zu anderen Kunstformen, Medien, kulturellen Kontexten und Gesellschaften. Die breite disziplinäre Vielfalt am Standort Graz macht es möglich, musikalische Phänomene in Vergangenheit und Gegenwart umfassend und in Kooperation mit Partner:innen aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven zu reflektieren. Das bietet die Grundlage für die Entwicklung innovativer Forschungsperspektiven, die letztlich auch die immer wichtiger werdenden Potentiale digitaler Methoden umfassen. Zudem besitzt Graz eine vielfältige Kunst- und Kulturszene – die zudem zu jeder Tages- und Nachtzeit – aufgrund der Größe der Stadt – unkompliziert und CO2neutral mit dem Fahrrad erreichbar ist.
Stefan Baumgarten
Professor für Translationswissenschaften, Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaften
Sie sind seit 2020 an der Uni Graz als Professor für Translationswissenschaften beschäftigt und leiten den Forschungsbereich Translation und Digitaler Wandel. Was war seither die größte Herausforderung in Ihrer Tätigkeit?
Ehrlich gesagt hat sich als bislang größte Herausforderung – leider! – nicht ein Aspekt meiner Forschungsarbeit erwiesen. Dies liegt darin begründet, dass ich schon seit März 2021 als Institutsleiter fungiere, mit dem Auftrag, das Institut für Translationswissenschaft für die digitale Zukunft zu rüsten. Diese und andere organisatorische Aufgaben sowie die Tatsache, dass ich als Außenstehender gleich zu Beginn meiner Anstellung die Institutsleitung übernommen habe, erweisen sich bis heute als die größten Herausforderungen meiner Tätigkeit. Was die Forschung betrifft, so versuche ich mit meiner Arbeit eine kritische Debatte zur Verwendung und den gesellschaftlichen Auswirkungen von Sprach- und Translationstechnologien zu entfachen, beispielsweise im Hinblick auf die heute meist unreflektierte Verwendung von ubiquitärer maschineller Übersetzung in der Öffentlichkeit.
Sie forschen unter anderem zu Fragen der ungleichen globalen Machtverteilung, antidemokratischen Entwicklungen und der damit einhergehenden Verleugnung des globalen Klimawandels. Was verbindet die Translationswissenschaft mit solchen Themen?
Die Translationswissenschaft ist eine seit Jahrzehnten fest etablierte Wissenschaft, die sich als Bindeglied zwischen den verschiedensten Wissenschaftsbereichen sieht. Unzählige Anknüpfungspunkte ergeben sich zum Beispiel zu den Literatur- und Sprachwissenschaften, den Kultur- und Sozialwissenschaften, aber auch zu vermeintlich entlegeneren Bereichen wie den Computer- und Kognitionswissenschaften.
Diese Frage bezieht sich im Kern auf eine, wie wir Translationswissenschaftler:innen sagen, translationssoziologische Problematik. Translation hat, wie jegliche Art der Kommunikation, viel mit Macht und Ideologie zu tun. Kommt es zu Übersetzungs- und Dolmetschvorgängen, dann spielen meistens Einzel- und Gruppeninteressen eine erhebliche Rolle. Translation erfolgt eigentlich immer über ungleiche Machtverhältnisse, und dies meist zum Nachteil der „schwächeren“ Partei. Auf konkreter Ebene ist beispielsweise das Kommunaldolmetschen in Asylverfahren in den meisten Ländern noch nicht in dem Maße professionalisiert, um die Anliegen von Asylbeantragenden in einer translatorisch und ethisch zufriedenstellenden Weise zu verhandeln.
Auf globaler Ebene wiederum tendieren „starke“ Kulturen – wie der anglophone englischsprachige Raum – dazu, kulturelle Eigenheiten anderer Länder und Kulturen weniger zu beachten. Das spiegelt sich häufig in literarischen Übersetzungen in die englische Sprache, in denen kulturelle Unterschiede ignoriert werden. Es ist augenscheinlich, wie wenig fremdsprachige Literatur und Kultur in hegemoniale Sprachen überhaupt übersetzt wird, insbesondere ins Englische. Ich selbst bezeichne diese Problematik als „hegemoniale Nicht-Übersetzung“.
Stellen Sie sich zudem einfach einmal vor, ein wiedergewählter Präsident Trump errichtet eine lupenreine quasi-faschistische Diktatur in Nordamerika. Dies würde wahrscheinlich das Machtgefälle zwischen Englisch und anderen Sprachen weiter zementieren, weltweit illiberale Demokratien auf den Plan rufen, geschweige denn den Klimawandel aufhalten. In diesem Zusammenhang sind es die Aufgaben einer Translationssoziologe, nicht nur solche Entwicklungen zu erspüren, sondern darüber hinaus auch darauf hinzuweisen, dass die weltweite Kultur- und Sprachenvielfalt genauso zentral für das Überleben menschlicher Zivilisation ist wie die – in den Medien viel stärker diskutierte – Pflanzen- und Artenvielfalt.
Was ist Ihnen ein besonderes Anliegen in Ihrer Lehre – was wollen Sie Studierenden der Translationswissenschaften mit auf den Weg geben?
In der universitären Lehre geht es nicht nur um den Erwerb von Fach- und Spezialwissen, sondern immer stärker auch um die Fähigkeit, aus einem großen Kommunikations- und Informationsangebot das Wesentliche herauszudestillieren. Das trifft besonders auf die Berufe des Übersetzens und Dolmetschens zu, in denen Recherchekompetenz eine wichtige Rolle spielt, und dies trotz des scheinbaren Heilversprechens von kommunikativer künstlicher Intelligenz! Studierende der Translationswissenschaften erhalten einen besonders intensiven Einblick in die Ähnlichkeiten und Unterschiede von Kulturen, Sprachen und verschiedener Gesellschaftsformen. Durch eine wissenschaftliche Fundierung, durch Auslandsaufenthalte und die praktische Übersetzungs- und Dolmetscharbeit werden Sie dazu inspiriert, sich selbst und die Welt nicht ausschließlich durch eine monokulturelle, evtl. gar nationalistisch gefärbte Brille, zu betrachten. Wenn die Studierenden mit einer offenen und aufgeschlossenen, doch gleichzeitig interessierten und kritischen Haltung, ihr Studium bei uns abschließen, dann bin ich schon zufrieden. Das Einzige, was ich ihnen vielleicht mit auf den Weg geben kann, ist, sich einfach nur als Mensch zu sehen, nicht mehr und nicht weniger. Manchmal ist es nur ein Lied, was einem die Hoffnung wiedergibt, bei mir ist es Ziggy Marley’s I am a Human. Hört einfach rein, übersetzt, verbreitet, … wenn ihr wollt.
Viktoria Sudnikiewicz
Studentin, Masterstudium Slawistik (Russisch)
Was würden Sie jemandem sagen, der/die daran interessiert ist, Slawistik an der Uni Graz zu studieren?
Schon Ivo Andrić, der berühmte jugoslawische Literaturnobelpreisträger hat an der Universität Graz promoviert. Und wenn man erfahren möchten, was russische Bliny sind, was die Slaw:innen vor tausend Jahren glaubten und welche slawische Sprache die romantischste Sprache Europas ist, dann ist ein Slawistik Studium auf der Universität Graz genau das Richtige.
Zudem grenzt die Steiermark an südslawische Länder und es kommen zahlreiche Studierende aus diesen Ländern zu uns – dadurch ergeben sich leicht Möglichkeiten, diese Sprachen in Gesprächen zu perfektionieren. Auch die Herangehensweise des Instituts für Slawistik und seiner Forscher:innen an die slawischen Kulturen ist überaus vielfältig und bereichernd.
Welches Gebiet innerhalb Ihres Fachs fasziniert Sie am meisten und warum?
Der Begriff der „(mysteriösen) russischen Seele“, von dem weltbekannte Schriftsteller, wie Dostojewski, Tolstoj und Gogol in ihren Werken erzählen, hat meine Neugier geweckt. Schon der sowjetische Autor Michail Aleksandrovič Šolochov sagte: „Der größte Reichtum eines Volkes ist seine Sprache. Seit Tausenden von Jahren sammeln sich im Wort die unermesslichen Schätze des menschlichen Denkens und Erlebens.“
Somit hatte ich den Wunsch, die russische Sprache zu erlernen, um die Mentalität und das Denken der russischen Gesellschaft zu verstehen und das Mysterium, von dem die russische Seele umgeben ist, zu enthüllen.
Sie studieren im Masterstudium Slawistik – planen Sie ein Doktorat anzuhängen oder haben Sie schon ein Auge auf außeruniversitäres Arbeitsfeld geworfen?
Sowohl aufgrund meiner großen Leidenschaft für die slawische Kultur und Sprache als auch meiner slawischen Herkunft, wünsche ich mir, einen fundamentalen Beitrag zur slawistischen Wissenschaft beitragen zu können und sie auch voranzutreiben.
Aus diesem Grund strebe ich eine Promotion an, um dann eine akademische Laufbahn einschlagen zu können. Die Forschung an einer Materie, die der Allgemeinheit dient, ist meines Erachtens eine bereichernde Beschäftigung.
Johanna Fleischhacker
Studentin, Bachelorstudium Kunstgeschichte
Wenn Ihr Umfeld, Ihre Familie Sie fragt: Warum gerade Kunstgeschichte? Was antworten Sie darauf?
Ich beschäftige mich schon seit langem gern mit Antiquitäten aber auch mit Baustilen, ich gehe gerne in Museen und besuche Ausstellungen und möchte nach Abschluss des Studiums entweder im Bereich des Auktionshandel oder des Denkmalschutzes arbeiten. Vor allem finde ich es auch wichtig, sich mit Vergänglichem zu beschäftigen und Bewusstsein zu schaffen, alte Werte zu erhalten.
Welches Gebiet innerhalb Ihres Fachs fasziniert Sie am meisten und warum?
Generell beschäftige ich mich am liebsten mit den Epochen der Renaissance bis hin zum Historismus. Zudem interessieren mich die Bereiche der Baustilkunde und der Malerei dieser Zeiten, da ich die Details, die sich oft in Gemälden Alter Meister finden, sowie deren Maltechnik faszinierend finde.
Sie studieren derzeit das Bachelorstudium Kunstgeschichte, werden Sie auch den Master anhängen?
Ja, ich möchte auch ein Masterstudium anhängen, wobei es noch ungewiss ist, ob es Kunstgeschichte oder ein anderes geisteswissenschaftliches Fach werden wird.
Lisa Brunner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin (PraeDoc) am Zentrum für Wissenschaftsgeschichte
Was macht jemand eigentlich, der/die sich mit Wissenschaftsgeschichte befasst und wieso ist das überhaupt von Bedeutung?
Wie der Begriff schon sagt, beschäftigt sich die Wissenschaftsgeschichte u. a. mit der Entstehung und Entwicklung der Wissenschaften. Ich selber sehe mir an, wie die Ausbildung von Apotheker:innen in der Frühen Neuzeit sich entwickelt hat, denn anders als heute, war die Pharmazie noch kein Hochschulfach sondern ein Lehrberuf. Dafür durchforste ich Archive, Bibliotheken und Museen nach alten Handschriften, Bildern und allem anderen, was mir darüber etwas sagen kann. Gerade in Zeiten, wo das Gesundheitswesen eine zentrale Rolle spielt, ist es immer auch wichtig, die historischen Entwicklungen genauer zu kennen, warum ist etwas so, wie es heute ist? Darüber berichte ich auch unter anderem auf meinem Instagramkanal @weltinderstube.
Was mach für Sie die Faszination Ihres Forschungsgebiets/Ihrer Dissertation aus?
Geschichte hat mich schon als kleines Kind fasziniert! Ich finde es total spannend alte Briefe oder anderes zu lesen, das Menschen vor mehreren hundert Jahren geschrieben und in Händen gehalten haben. Außerdem bin ich ein unglaublich neugieriger Mensch und frage mich oft, warum Dinge eigentlich sind, wie sie heute sind. Ein Blick in die Geschichte kann mir meine Fragen meist beantworten.
Sie sind sozusagen eine Expertin für Kuriositäten – was ist das Kurioseste, das Ihnen je an Uni passiert ist?
Als first generation Studentin war und ist für mich die Universität und alles was dazu gehört irgendwie kurios, fremd, gewöhnungsbedürftig. Was nicht heißen soll, dass ich meine Zeit an der Universität nicht auch schön finden würde. Aber man erlebt vor allem am Anfang sehr vieles, was man als kurios bezeichnen könnte: Es wird über andere Dinge anders gesprochen, vieles ist einem unbekannt und man muss erst seinen Platz finden. So geht es vielen first generation Studierenden.
Ursula Gärtner
Professorin für Klassische Philologie/Latinistik, Institut für Antike
Womit beschäftigt sich eine Professorin für Klassische Philologie/Latinistik eigentlich genau?
Oft werde ich gefragt, was ich eigentlich mache; die alten Texte aus der Antike müssten ja schon längst alle übersetzt sein. Tatsächlich übersetzen wir auch heute noch Texte; denn viele Bücher sind noch nicht übersetzt, oder die Übersetzungen sind veraltet und können die interessanten Aussagen der Texte nicht mehr in unserer Gegenwart vermitteln. In vielen Fällen muss auch der Originallaut der Texte erst mühsam ermittelt werden. Vor allem aber möchte ich die Texte und ihre Machart verstehen, interpretieren und gemeinsam mit Studierenden, Schüler:innen, Kolleg:innen und allen Interessierten darüber diskutieren, was sie wohl einst zu sagen hatten und wie wir dies heute verstehen können. Zurzeit beschäftige ich mich mit Fabeln. Warum spricht ein Wolf eigentlich?
Schlägt Ihr Herz mehr für die Forschung oder die Lehre?
Ich lehre sehr gerne; insbesondere die angeregten Diskussionen in den Seminaren, sei es über die Liebeslehren Ovids, sei es über Ciceros Philosophie, gehören zu den beglückenden Momenten in meinem Beruf. Im Trubel des Semesters bleibt aber oft keine Zeit, den eigenen Forschungen vertieft nachzugehen; das kann man in einem der ersehnten Forschungssemestern tun, und dies sind höchst befriedigende Zeiten, wenn man sich in Ruhe einer Frage widmen und zu einer Lösung gelangen kann. Doch stellt man nach einiger Zeit fest, dass einem der lebendige Austausch fehlt. Nicht gefragt wurde hier nach dem dritten Teil meiner Arbeit, der Verwaltung, die immense Zeit verschlingt, immer mehr zu werden droht und eher die Pflicht als die Kür ist.
Was ist das Lustigste, was Ihnen bisher im Lehrsaal passiert ist?
Als ganz junge Assistentin in Leipzig kurz nach der Wende war es meine Aufgabe, ehemalige Russischlehrer:innen zu Lateinlehrer:innen umzuschulen – das Durchschnittsalter lag gefühlt bei 55 Jahren. Um den Begriff der Captatio beneuolentiae zu erklären, zitierte ich den Beginn einer Cicero-Rede, wo dieser – etwas verkürzt – sagt: „credo ego uos, iudices, mirari quid sit quod ego potissimum surrexerim, is qui neque aetate neque ingenio neque auctoritate sim cum his qui sedeant comparandus – Ich glaube, ihr Richter, ihr fragt euch, warum ausgerechnet ich mich erhoben habe, der ich weder an Alter noch an Begabung noch an Autorität mit denen, die hier sitzen, vergleichbar bin.“ – Selten wurde in diesem Lehrsaal so laut gelacht.
Christina Hörzer
Referentin für Studien- und Prüfungsangelegenheiten, Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät
Was machen Sie hier eigentlich?
Ich bin Referentin für Studien- und Prüfungsangelegenheiten am Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät. Meine Aufgaben sind sehr unterschiedlicher Natur. Von der administrativen Betreuung Studierender bis hin zur Websitegestaltung bin ich an der Fakultät als diejenige bekannt, die man fragt, wenn man nicht mehr weiter weiß. Manchmal muss ich trösten, manchmal ermahnen - ganz wie es die Situation erfordert!
Was mögen Sie am liebsten an Ihrer Arbeit?
Die immer neuen Projekte und sehr unterschiedlichen Aufgaben machen das Arbeiten am Dekanat sehr abwechslungsreich. Es wird niemals langweilig!
Was ist das Lustigste, das Sie dabei bisher erlebt haben?
Im Laufe der Jahre gab es viel zu lachen... Das meiste davon sollte ich aber lieber nicht erzählen!
Klaus Kastberger
Professor für Neuere deutschsprachige Literatur/Gegenwartsliteratur, Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung
Sie leiten das Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung und das Literaturhaus Graz, was eine wunderbare Verbindung von Forschung, Lehre und aktuellem Literaturbetrieb darstellt; was ist das wertvollste für Sie und Ihre Forschung an dieser Tätigkeit?
Meine Aufgaben hier in Graz verbinden sehr viele unterschiedliche Bereiche, die aber im Idealfall alle einen Zusammenhang haben.
Einer der schönsten Momente, die ich darin bisher erlebt habe, bestand in einem Satz, den eine Studentin von mir nach einer Veranstaltung im vollbesetzen Literaturhaus im Hinausgehen laut und deutlich und ohne jegliche Ironie in meine Richtung gesagt hat: „Danke, Herr Professor, dass wir heute kommen haben müssen!“
Wie sehen Sie den Stellenwert österreichischer Literatur im deutschsprachigen Raum?
Vielleicht werden wir nach jahrzehntelangen Bemühungen bald aufhören können, dem bundesdeutschen Markt die österreichische Literatur zu erklären und Saison für Saison als eine spannendere Variante der deutschsprachigen Literatur vor Augen zu stellen.
Denn mittlerweile wissen die Deutschen fast schon besser über vermeintliche Eigenarten des Österreichischen Bescheid, und bundesdeutsche Autor:innen bedienen sich wie selbstverständlich ästhetischer Muster, die wir bislang für die unseren gehalten haben. Der Abschied in eine solche Zukunft ohne ästhetischen Eigensinn könnte aber durchaus schmerzhaft sein.
Wenn die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Uni Graz ein Buch wäre, welches wäre es dann für Sie?
Ich widerstehe nicht der Verlockung, hier als Antwort sofort Der Mann ohne Eigenschaften zu sagen. Musil hat an diesem Roman jahrzehntelang gearbeitet, und das Buch ist dennoch unvollendet geblieben. Ursprünglich sollten in dem Werk die Vorbedingungen geklärt werden, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führten. Dann kam dem Autor der aufkommende Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg dazwischen. Das gesamte Konzept musste transformiert werden. Möglicherweise steckt darin auch eine Parabel für geisteswissenschaftliche Forschung.
Sarah Tropper
Universitätsassistentin, Institut für Philosophie
Womit beschäftigen Sie sich eigentlich genau?
Mein Forschungsschwerpunkt liegt in der Philosophie der frühen Neuzeit, also jener Epoche, in der die Grundlagen unseres heutigen Selbstverständnisses in vielen seiner wichtigsten Aspekte gelegt worden sind. In meiner Forschung blicke ich auch gelegentlich auf das Mittelalter zurück – eine in seiner Wirkungsmächtigkeit und Vielfältigkeit in der Philosophie gelegentlich unterschätzte Zeit.
Was fasziniert Sie persönlich am meisten an Ihrem Fachgebiet? Bzw. worin liegt für Sie der Wert der Geschichte der Philosophie?
Die Geschichte der Philosophie kann uns dabei helfen, unsere stillschweigend vor uns hergetragenen Vorurteile aufzuweisen und damit über den Tellerrand unserer eigenen Vorannahmen hinauszublicken. Zudem ist das Alte manchmal einfach genauso gut oder sogar besser als das Neue, aber lehrreich und hilfreich ist das Verständnis von ihm immer… und gelegentlich ist es auch einfach faszinierend skurril.
Welcher Aspekt Ihrer Arbeit ist für Sie eine besondere Bereicherung?
Insbesondere die Möglichkeit, meine Begeisterung für die Geschichte der Philosophie weitergeben zu können und vielleicht einige Studierende dazu zu animieren und ihnen die Mittel zu geben, sich auf die Gedanken anderer zulassen sowie den Wert dieser Gedanken zu verstehen.
Walter Scholger
Institutsmanager, Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities
Welche Arbeitsfelder beinhaltet Ihre Tätigkeit eigentlich genau?
Ich bin an unserem Zentrum mit Verwaltungsaufgaben im Kontext der Universität und dem Management von Forschungsvorhaben und Drittmittelprojekten befasst. Ich vertrete das Zentrum und die Universität in nationalen und internationalen Arbeitsgruppen, Fachverbänden und Forschungsinfrastrukturprojekten zu den Themen Forschungsdatenmanagement, Digitale Publikation, Curricula-Entwicklung, Open Science sowie rechtliche und ethische Aspekte digitaler Forschung. Urheberrecht, Lizenzierung und Datenschutz im Kontext digitaler Wissenschaft sind auch mein Kernthema in der Lehre in unserem Masterstudium „Digitale Geisteswissenschaften“ sowie in unseren Kooperationsprojekten mit inner- und außeruniversitären Partner:innen.
Digital & Humanities – wie passt das eigentlich zusammen?
Eigentlich ganz hervorragend, alleine schon, weil wir Dank der fortschreitenden Digitalisierung und vor allem öffentlichen Zugänglichmachung von Quellen des globalen Kulturerbes dieses umfangreicher und ausführlicher erforschen können, als das noch vor einer Generation möglich war. Geisteswissenschaften erforschen letztlich ja immer Zeugnisse des menschlichen Geistes und der menschlichen Kultur – und da sehr viel des gesellschaftlichen und kulturellen Geschehens heute im Digitalen stattfindet, ist es umso wichtiger, dass Forscher:innen sowohl geistes- und kulturwissenschaftliche als auch digitale Methoden und damit verbundene Denkweisen verstehen.
Was sind die häufigsten Missverständnisse, die die es zu Digital Humanities gibt?
„Machen Sie mir eine Webseite und eine Datenbank?“ ist eine Frage, die wir auch heute noch oft zu hören bekommen. Viele sehen den Computer noch immer als reines Werkzeug, denken bei einer „digitalen Publikation“ an eine Webseite und meinen, dass digitale Geisteswissenschaftler:innen einfach „Programmierer:innen“ sind. Dabei ist die forschungsgetriebene Entwicklung und Anwendung digitaler Methoden auf digitale Quellen ein extrem komplexes und stetig veränderliches Feld, dass uns Möglichkeiten in der Erschließung, Erforschung und vor allem Vermittlung unseres kulturellen Erbes bietet, die man sich zu meinen Studienzeiten noch gar nicht vorstellen konnte – wir können nicht nur vorher undenkbare Antworten finden, sondern auch vorher undenkbare Fragen stellen.
Florian Atzenhofer-Baumgartner
Student, Masterstudium Digital Humanities
Wieso haben Sie sich gerade für dieses Studium entschieden?
Im Laufe meines Hauptstudiums (Bachelor Lehramt Deutsch und Englisch) hat sich in mir ein riesiges Interesse für Sprachwissenschaft entwickelt. Nach dem Abschluss habe ich mich nach weiteren Möglichkeiten umgesehen, wie ich dahingehend besser computergestützt forschen kann. Statt mir vertiefte Programmierkenntnisse im Selbststudium beizubringen, habe ich es mit dem Masterstudium Digitale Geisteswissenschaften probiert und mich dann insgesamt in den Bereich 'verkuckt'.
Was war Ihre liebste Lehrveranstaltung und warum?
Schwierig, denn eigentlich alle Lehrveranstaltungen waren spannend, haben sie sich ja mal theoretischer, mal praktischer mit der Frage auseinandergesetzt, was die digitale Transformation mit uns, den Geisteswissenschaften und generell mit kulturellem Erbe macht. Wenn ich mich festlegen müsste, wäre es die anwendungsorientierte VU Data Science (Knowledge Discovery & Data Mining; SS2021), die in Kooperation mit dem Know-Center/der TU Graz von Bernhard Geiger und Maximilian Toller abgehalten wurde. Das Gelernte zur Datenanalyse und -visualisierung hat mir sehr in meiner Master-Arbeit weitergeholfen und begleitet mich noch heute in meiner Tätigkeit im Projekt DiDip.
Was gefällt Ihnen am Uni-Standort Graz besonders gut?
Ich finde, Graz bringt eine angenehme Mischung aus Stadt und Land. Fast alles ist gut mit dem Fahrrad erreichbar. Der Standort ist außerdem sehr vielfältig, egal ob es Kulinarik, Musik- und Lokalszene oder generell Events betrifft - es wird einfach nicht langweilig. Abgesehen davon mag ich die Lage in der Region, und in 2,5 Stunden schafft man es nach Wien, in 3,5 an die obere Adria.
Regina Brunnhofer
Office Managerin (für wirklich alle Agenden), Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung (CIRAC)
Was machen Sie an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät?
Ich bin am Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung (CIRAC) für alle administrativen Agenden zuständig. Und damit meine ich wirklich alle. Vom Budget über Projektadministration bis hin zum tagtäglichen Geschäft des Office Managements.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Arbeitsalltag am Besten?
Ich lerne immer neue und interessante Menschen kennen. Mit diesen arbeite ich in spannenden Projekten zusammen, deren Inhalte mich auch privat interessieren. Und natürlich das Team in dem ich arbeite!
Was ist für Sie eine besondere Bereicherung an Ihrer Arbeit?
Es haben sich im Laufe der Zeit wertvolle Freundschaften zu Menschen verschiedenster Forschungsgebiete und unterschiedlichster Herkunft entwickelt.
Lara Wachter
Studentin, Unterrichtsfach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung sowie Geographie und Wirtschaftskunde
Wieso haben Sie sich gerade für dieses Studium entschieden?
Während meiner Schulzeit waren das die beiden Fächer, in denen ich von meinen Lehrer:innen besonders begeistert wurde. In Geschichte wurde mit zeithistorischen Quellen gearbeitet; es war kein Auswendiglernen von Zahlen und Daten gefragt, sondern es ging um ein Verständnis für das Fach. Auch in Geographie wurde über Weltpolitik und Wirtschaft gesprochen. Das finde ich wichtig. Ich möchte auch Jugendliche dazu befähigen, gute Entscheidungen zu treffen. Gerade in Politischer Bildung geht nicht nur darum, dass Schüler:innen alle Parteien kennen, sondern sie auch wissen, warum sie wählen gehen sollen.
Was hat Sie im Zuge Ihres Studiums am meisten überrascht bzw. begeistert?
Im Geographie Studium war ich zunächst sehr überrascht, was alles in dieses Studium gehört – Human-, Physio- und Wirtschaftsgeographie. Generell hat mich überrascht, wie unterschiedlich die Bereiche sind, die hier hineinfallen.
Begeistert hat mich in Geschichte besonders die Einführungsvorlesung Zeitgeschichte von Helmut Konrad. Als ich ihm zugehört habe wusste ich: In diesem Studium bin richtig. Das will ich lernen!
Was gefällt Ihnen am Uni-Standort Graz besonders gut?
Mir gefällt, dass hier nicht alles zu groß ist. So lernt man leicht Kommiliton:innen kennen. Außerdem kann man mit den Professor:innen hier auf Augenhöhe über Probleme reden. Das ist schon wichtig!
Schön am Campusleben sind die vielen kleinen Cafés und Restaurants gleich in der Nähe und auch die vielen Grünflächen, die an warmen Tagen zum Lernen oder Ausrasten einladen. Auch die vielen Lernplätze, die es gibt – insbesondere in der neuen Bibliothek – sind toll!
Isabella Managò
Universitätsassistentin, Institut für Germanistik
Was genau macht eigentlich jemand, der sich mit germanistischer Mediävistik beschäftigt?
Wir setzen uns mit der Sprache und vor allem mit der Literatur und Kultur des Mittelalters (und ihrer Rezeption) auseinander. An literarischen Texten ist besonders interessant, dass in ihnen unterschiedliche Diskurse, die die Menschen zu einer bestimmten Zeit beschäftigen, aufeinandertreffen und nicht selten miteinander in Konflikt geraten, hinterfragt, versöhnt oder modifiziert werden. Wir fragen uns in unserem Fachbereich also vor allem, wie ein mittelalterlicher Text bestimmte Bedeutungen erzeugt, indem wir seine literarische ‚Gemachtheit‘ und die kulturellen Voraussetzungen, die ihn geprägt haben, offenlegen. Das ermöglicht uns aufschlussreiche Einblicke in eine Epoche, die bis heute viele Menschen fasziniert, wie man beispielsweise anhand erfolgreicher Fantasy-Bücher, Filme und Serien sehen kann, die immer wieder aufs Neue mittelalterähnliche Welten entwerfen.
Sie sind von Heidelberg aus an die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Uni Graz gekommen – wie gefällt es Ihnen hier, was sind die größten Unterschiede?
Es gefällt mir ausgesprochen gut hier und ich fühle mich sehr wohl. Die Stadt Graz ist wunderschön und fühlt sich irgendwie schon mediterran an. Nicht alle haben das Privileg an einem Ort arbeiten und leben zu dürfen, an dem andere ihren Urlaub verbringen! Und auch die Uni und das Institut für Germanistik bieten ein abwechslungsreiches Arbeitsumfeld mit ausgesprochen netten, aufgeschlossenen Kolleginnen und Kollegen, die alle interessante Forschungsgebiete bearbeiten. Der größte Unterschied zu Heidelberg ist vielleicht die Größe des Instituts. Obwohl hier ebenfalls viele junge Leute Germanistik studieren, gibt es sehr wenig Festangestellte. Andererseits hat es auch Vorteile in einer kleinen Gruppe zusammenzuarbeiten, denn dann kennt man sich und die unterschiedlichen Forschungsinteressen schnell gut.
Welche Bedeutung hat die Mediävistik in der heutigen Zeit?
Bei der Auseinandersetzung mit mittelalterlicher Literatur – und die ist beispielsweise auch in der Schule im Deutschunterricht möglich – werden wir mit Erzählwelten konfrontiert, die nicht Teil des Erfahrungshorizontes der heutigen Zeit sind. Diese Fremdheit vormoderner Texte mag vielleicht zunächst als Hürde erscheinen. Doch sind es gerade die eigentümlichen, irritierend anderen Denk- und Erzählweisen der Texte, die uns Selbstverständliches hinterfragen lassen und eine Auseinandersetzung mit unserer eigenen kulturellen und historischen Prägung auslösen können. Die mittelalterliche Welt ist für uns fremd genug, um unsere Denkgewohnheiten in Frage zu stellen. Zugleich, vor allem aufgrund der Sprache und des Kulturraums, nahe genug, um für unser gesellschaftliches Selbstverständnis relevant zu sein. Das sieht man nicht zuletzt an der bereits oben genannten, populären Faszination für mittelalterliche Welten, Figuren und Fabelwesen wie Ritter, Drachen und Einhörner, die offenbar bis heute Identifikationspotential bieten und nicht nur in Kinderbüchern, sondern auch in Computerspielen und auf Gummibärchen-Packungen – also überall – begegnen.