Hören, Sehen, Tasten, Riechen, Schmecken – menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen erschließt sich die Welt über Wahrnehmung. Ohne entsprechend differenzierte Wahrnehmungsfähigkeiten ist ein sinnvolles Sich-Verhalten, das den Anforderungen der jeweiligen Umgebung genügt, nicht möglich. Wie weit das Leben über ein umweltangepasstes Wahrnehmen und Verhalten hinausreicht, hängt von der Art der Organismen und ihren sinnlichen, affektiven und kognitiven Fähigkeiten ab. Menschliche Lebewesen verfügen über ein reiches Potential an Fähigkeiten. Auch für sie gilt, dass umweltsensitives Wahrnehmen Überleben sichert. Darüber hinaus stellt es die Erfahrungsgrundlage für die Interpretation einer Vielfalt menschlicher Aktivitäten, Ausdrucksformen, Interaktionen, Befindlichkeiten und Verletzbarkeiten dar.
Soziale Konflikte entzünden sich häufig an unterschiedlichen Meinungen und Urteilen. Sich gemeinsam in einer Wahrnehmungssituation zu befinden und auf Erfahrungsinhalte zu reflektieren, kann helfen Konflikte aufzulösen. Dasselbe gilt für ästhetische, moralische und weltanschauliche Meinungsverschiedenheiten: Es braucht eine für alle Beteiligten greifbare sinnliche Grundlage, um entscheiden zu können, ob etwas schön oder hässlich, ekelhaft oder bizarr, großzügig oder angeberisch ist; ob jemand ehrgeizig und kompetitiv oder empathielos und neidisch ist; ob jemand überzeugt und engagiert seine Sache vertritt oder fanatisch und rücksichtslos agiert. Wie diese Beispiele zeigen, ist Wahrnehmung als Erfahrungsgrundlage unverzichtbar. Ebenso offenkundig ist, dass Wahrnehmung mit anderen, nicht (nur) sinnlichen Fähigkeiten und Leistungen verknüpft ist: mit Erinnern, Fühlen, Phantasieren und Urteilen, mit dem Erfassen von Ideen und Werten. Wenn wir verstehen wollen, wie soziale, ästhetische, moralische und andere Arten von Dissens und Konflikt entstehen und wie sie überwunden werden können, müssen wir zuallererst die Erkenntnisleistung menschlicher Wahrnehmung, aber auch ihre Täuschungen, Irrtümer und blinden Flecke untersuchen.
Vor diesem Hintergrund erforscht der fakultäre Schwerpunktbereich Wahrnehmung: Episteme, Ästhetik, Politik Wahrnehmungsleistungen und -(dys)funktionen auf Basis eines erweiterten Konzepts von Wahrnehmung. Das Spektrum zugehöriger Erkenntnisinteressen verteilt sich über philosophische, (kunst-)historische, musik-, literatur- und sprachwissenschaftliche Forschungszugänge. Ebenso werden Fragen des gesellschaftlichen Wandels aus der Perspektive der Alterns- und Care-Forschung sowie der digital humanities erörtert. Diese thematisieren die Transformation und Hybridisierung menschlicher Wahrnehmung in zunehmend technologisierten Umwelten.
Was kann geisteswissenschaftliche Theoriebildung, Rekonstruktion, Beschreibung und Analyse zum Verständnis von Wahrnehmung beitragen? Worin zeigt sich die Bedeutung von Wahrnehmung in verschiedenen wissenschaftlichen Kontexten, in der Gestaltung und Kritik unserer Gesellschaft sowie in der alltäglichen Erfahrung von Menschen in verschiedenen historischen Epochen und Kulturen?
Die im fakultären Schwerpunktbereich tätigen Forscher:innen suchen nach Antworten auf diese Fragen in drei Themenfeldern:
Habilitierte Mitglieder
Univ.-Prof. Dr.phil. Nassim Balestrini (Professorin für Amerikanistik und Intermedialität)
Univ.-Prof. Dr.phil. Stefan Baumgarten (Professor für Translationswissenschaften)
Univ.-Prof. Dr.phil. Julian Blunk, M.A. (Professor für Kunstgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts)
Univ.-Prof. Dr.Stefan Brandt, M.A. (Professor für Amerikanistik)
Univ.-Prof. Dr.phil. Robert Felfe (Professor für Kunstgeschichte)
Univ.-Prof. Dr.phil.habil. Christian Heuer (Professor für Fachdidaktik Geschichte)
Univ.-Prof. Dr. Julia Hoydis (Professorin für Englische Literaturwissenschaft vom 18. bis zum 21. Jahrhundert)
Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Ulla Kriebernegg (Professorin für Kulturwissenschaftliche Alterns- und Care-Forschung)
Univ.-Prof. Mag. Dr. Susanne Kogler (Professorin für Musikwissenschaft)
Univ.-Prof. Dr. Ursula Renz (Professorin für Geschichte der Philosophie)
Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Sonja Rinofner-Kreidl (Professorin für Philosophie/Klassische Phänomenologie)
Univ.-Prof. Dr.phil. Georg Vogeler, M.A. (Professor für Digital Humanities)