Lupus in fabula – Antike Fabeldichtung. Kommentare und narratologische Zugänge zu einer lange vernachlässigten Gattung
Wer kennt nicht die Fabel vom Wolf, der Gründe erfindet, um das Lamm zu fressen, und dies, nachdem es alle Vorwürfe zurückweisen konnte, trotzdem frisst? Die ältesten Fassungen stammen aus der Antike. Fabeln finden sich hier seit Beginn der europäischen Literatur in unterschiedlichsten Texten eingebettet. Aesop galt dabei schon in der Antike als Urheber der Gattung. Doch Sammlungen ausschließlich von Fabeln entstanden unter dem Namen Aesop erst später, und zwar in Prosa. Sie dienten vermutlich als Material für Redner, die dadurch ihre Argumente veranschaulichen konnten. Sammlungen von Fabelgedichten in kunstvoll komponierter Buchform stammen aus späterer Zeit. Zu nennen ist hier Phaedrus (1. Jh. n. Chr.), der lateinische Fabeln in iambischen Senaren verfasste, Babrios (2. Jh. n. Chr.), der griechische Fabeln in Hinkiamben schrieb, und Avian (um 400 n. Chr.), der lateinische Fabeln in elegischen Distichen dichtete. Ihre Werke stehen im Zentrum des Projekts. In der Forschung wurden die Texte lange Zeit vernachlässigt oder einseitig unter motivgeschichtlichen Aspekten untersucht bzw. als Quelle für sozialgeschichtliche Fragen herangezogen. Unser Ziel ist es aufzuzeigen, dass diese Texte als eigenwillige literarische Kunstwerke gelesen werden müssen, die nicht nur bekannte Fabelmotive variieren und ergänzen, sondern vielfältige Bezüge zu den unterschiedlichsten literarischen Gattungen und Texten aufweisen. Sie schreiben sich damit auch in den literarkritischen Diskurs ihrer eigenen Zeit ein, da sie nicht nur über allgemeine Lebensfragen reflektieren, sondern auch über die Literatur und ihre Funktion. Sie werden also zu Fabeln über Literatur.
Das Vorhaben der Grazer Forschungsgruppe ist es, zu diesen Autoren erstmals Grundlagenforschung vorzulegen, und zwar in Form von Interpretationskommentaren, die neben Erklärungen zu Text, Sprache, Stil, Realien etc. den Fokus auf eine interpretierende Analyse der Texte legen. In einem close reading werden dabei die intertextuellen Bezüge sowie die narratologischen Besonderheiten (Situation, Erzähler, Adressat, Fokalisation, Kommunikation, Plot, Charaktere, Raum, Zeit, Emotion etc.) untersucht, wobei auch die Instanzen von Autor und Leser berücksichtigt werden. Entsprechende Kommentar liegen zu Phaedrus (B. 1; B. 2&3; U. Gärtner) sowie zu Babrios (Babr. prol. 1; 1-17; prol. 2; L. Spielhofer) bereits vor. In der Förderungsphasen sollen nun die Bände zu Phaedrus B. 4&5 (U. Gärtner) sowie zu Avian (Chr. Poms) entstehen. Ergänzt werden diese Kommentare durch komparatistische Studien zu den narrativen Strategien der drei Fabelsammlungen sowie eine umfassende Bibliographie.
Projektzeitraum | 01.01.2023 - 31.12.2026 |
Fördergeber Förderprogramm | FWF Einzelprojektförderung |
Bewilligungssumme | € 204.674,4 |
Einheit | Institut für Antike |
Profilbereich | Dimensionen Europas |
Projektverantwortung | Univ.-Prof. Dr.phil. Ursula Gärtner |
Projektmitarbeiter:innen | Berghofer, Sarah Poms, Christopher, BA BA MA MA |
Projekthomepage |