„Ich bin direkt unterhalb der Burg aufgewachsen“, erzählt Walter M. Iber, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Graz. „Die Riegersburg war für mich immer mehr als ein Bauwerk – sie war Alltag, Kulisse und irgendwann Forschungsobjekt.“ Als ihn Anfang 2024 die Familie Liechtenstein, in deren Eigentum sich die Burg befindet, kontaktierte, stand schnell fest: Es soll ein neuer Burgführer entstehen – wissenschaftlich fundiert, aber auch für Besucher:innen verständlich.
„Die Nachfrage war da – in den Shops hörte man immer wieder: Gibt’s nichts Aktuelles zur Geschichte der Burg?“, berichtet Iber. Gemeinsam mit dem Leykam Verlag wurde ein handliches Buch im A5-Format und mit zahlreichen Bildern entwickelt. Darin zeichnet Iber die Geschichte der Riegersburg nach – von den ersten Erwähnungen im 12. Jahrhundert bis zur touristischen Blütezeit heute. Und räumt dabei auch mit so manchem Mythos auf: „Was wir heute sehen, ist größtenteils eine Festung aus dem 17. Jahrhundert. Die berühmte mittelalterliche Burg ist in Wahrheit nur in Resten erhalten – etwa in der Burgkapelle oder einzelnen Mauerzügen.“
Besonders interessant ist für ihn die Rolle der Burg als „Rodungs- und Herrschaftszentrum“ im 12. Jahrhundert. Der Name gehe wohl auf einen Edelherrn namens Rüdiger zurück. „Aber wer dieser Rüdiger war – das bleibt bis heute ein Mysterium.“
Eine Frau prägt das Gesicht der Burg
Eine der zentralen Figuren in der Geschichte der Riegersburg ist Katharina Elisabeth Freifrau von Galler, genannt „die Gallerin“. Sie entstammte der reichen Radkersburger Kaufmannsfamilie Wechsler, die im 16. Jahrhundert in den Adelsstand erhoben wurde. Und sie war es, die große Teile der heutigen Anlage in Auftrag gab – darunter den Weißen Saal oder das Wenzelstor. „Sie hat sich als Frau selbstbewusst in der Baugeschichte verewigt – mit Wappen, Inschriften und einem klaren Anspruch auf Souveränität.“
Vom drohenden Abriss zur Landesaustellung
Steht man vor der Riegersburg, ist es kaum vorstellbar: In den 1860er-Jahren stand das einstige Bollwerk gegen die Osmanen kurz vor dem Abriss. „Der damalige Besitzer wollte sie loswerden – zu teuer, zu unpraktisch“, erzählt Iber. Erst das Bundesdenkmalamt schritt ein – mit dem Argument der Wahrzeichenfunktion für die Steiermark.
Nach Jahrzehnten des Dornröschenschlafs begann der touristische Aufschwung im 20. Jahrhundert – zunächst langsam, dann mit voller Kraft: „Die Landesausstellung 1987 war schließlich der Durchbruch – 360.000 Besucher:innen, lange Warteschlangen, Medienrummel.“ Für Iber war das ein Wendepunkt: „Ab da war die Riegersburg endgültig wieder sichtbar im kollektiven Bewusstsein angekommen.“
Heute ein touristisches Vorzeigeprojekt
Mit rund 130.000 Besucher:innen jährlich, modernen Ausstellungen, Burglift, Greifvogelwarte und Klettersteigen ist die Riegersburg ein touristischer Fixpunkt der Region. „Die Familie Lichtenstein hat verstanden, dass Geschichte und Gegenwart zusammenspielen müssen. Der Erhalt ist keine Selbstverständlichkeit – er braucht Engagement, Verantwortung und viel Arbeit.“
Für den Historiker ist die Riegersburg nicht nur Thema eines Buches – sie ist Teil seiner eigenen Biografie. „Ich wollte zeigen, was dieses Bauwerk für die Region bedeutet. Früher war es ein Ort des Schutzes – heute ist es ein Ort der Identität und Wertschöpfung.“
Tipp
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