Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden in privaten Räumen
In diesem Projekt untersuche ich persönliche Begegnungen zwischen Jüdinnen*Juden und Nichtjüdinnen*Nichtjuden in Budapest und Wien um 1900, obwohl die Geschichtsschreibung über Jüdinnen*Juden zur beginnenden Moderne nach wie vor von einer Erzählung der privaten Isolation geprägt ist. Deshalb wurde jüdische Geschichte bisher als partikular und nicht als Teil einer allgemeinen Geschichte verstanden. Das Fehlen von Studien zum privaten Alltagsleben in der Historiographie über Jüdinnen*Juden in der Habsburgermonarchie hat zu einer Geschichte der kulturellen Teilhabe, nicht aber der privaten Beteiligung geführt. Ohne eine adäquate Ausarbeitung nicht-exklusiver Erzählungen über die Jüdinnen*Juden in Budapest und Wien unterschätzen wir die Auswirkungen jüdisch-nichtjüdischer Beziehungen, insbesondere in den täglichen Routinen. Mein Projekt schließt diese Lücke, indem es die vielfältigen Begegnungen zwischen Jüdinnen*Juden und Nichtjüdinnen*Nichtjuden in den "privaten" Räumen des täglichen Lebens analysiert. Ziel ist es, Wohn- und Arbeitsstätten in Budapest und Wien als Räume zu untersuchen und zu vergleichen, die Jüdinnen*Juden und Nichtjüdinnen*Nichtjuden in ihrer historischen Vergangenheit verbanden. Wo und wie kam man in Budapest und Wien um 1900 in "privaten" Räumen miteinander in Kontakt? Welche Kontakte gab es zwischen Jüdinnen*Juden und Nichtjüdinnen*Nichtjuden außerhalb öffentlicher Orte? Welche Bereiche des täglichen Lebens lassen sich als Räume für jüdische-nichtjüdische Interaktionen und interethnischen Austausch definieren? Welche Auswirkungen hatten derartige tägliche Begegnungen auf Vorurteile?
Zur Realisierung des Projekts, das an der Schnittstelle von Jüdischen Studien, Kulturwissenschaft und Geschichtswissenschaft angesiedelt ist – und ebenso für Gender Studies und für Perspektiven auf interethnische Beziehungen in migrationsgeprägten Gesellschaften relevant ist – , verwende ich Ansätze der Alltagsgeschichte. Indem ich sowohl auf Ähnlichkeit wie auch auf Differenz basierende Identifikationen innerhalb von Wohnräumen, die ich als „private Nicht-Räume" bezeichne, in den Blick nehme, sollen neue Einsichten über Intimität in Wohnräumen gewonnen werden. Als solche „privaten Nicht-Räume“ untersuche ich Räume, die bisher nur selten im Fokus der Forschung
zu jüdischen-nichtjüdischen Beziehungen gestanden haben: Wohn- und Schlafräume (u.a. Wohngemeinschaften mit Bettgeher*innen und Untermieter*innen, Hausangestellte, die in den Haushalten für die sie arbeiteten auch lebten), Räume der Heimarbeit (Produktion von Fabrikwaren in Privatwohnungen in Produktionsgemeinschaften) und Zwangsunterbringungen (Räume des erzwungenen Wohnens, auf die der Staat Zugriff hatte, wie z.B. Gefängnisse und Erziehungsanstalten, sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderung).
Projektzeitraum | 01.07.2022 - 30.06.2025 |
Fördergeber Förderprogramm | FWF Einzelprojektförderung |
Bewilligungssumme | 294.015,98 |
Einheit | Centrum für Jüdische Studien |
Projektverantwortung | Dr.phil. Susanne Korbel, BA. MA. |
Projektmitarbeiter:innen | Univ.-Doz. Dr. Klaus Hödl |
Projekthomepage | https://juedischestudien.uni-graz.at/de/forschung/laufende-projekte/miteinander-und-nebeneinander-von-juedinnenjuden-und-nichtjuedinnennichtjuden-in-privaten-raeumen-in-zentraleuropa-budapest-und-wien-1900-1930/ |