Unbekannte Bilder – Amateurfilme und ihre neuen Perspektiven auf den jugoslawischen Alltag
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Film und Kino von zentraler politischer, wirtschaftlicher, kultureller und bildungspolitischer Bedeutung für den neu gegründeten jugoslawischen Staat, was zu einer zweifachen Entwicklung im Bereich des Kinos führte: Neben der Etablierung einer professionellen Filmindustrie mit starken politischen und wirtschaftlichen Interessen, wurde auch Filmamateurismus politisch gefördert und innerhalb von Kino Klubs institutionalisiert. Dadurch sollte eine breite Masse Zugang zum Filmemachen als neue Form der technischen Bildung, des Ausdrucks, des Experimentierens und der kulturellen Teilhabe bekommen. Die Amateure begannen, sich theoretisch und praktisch mit dem Filmemachen zu beschäftigen, organisierten Filmfestivals und entwickelten in den zahlreichen jugoslawischen Kino Klubs spezifische Filmstile. Während die Amateurfilmbewegung als Keimzelle der jugoslawischen Neuen Welle und der experimentellen Strömungen weithin bekannt ist, wird den unbekannt gebliebenen FilmemacherInnen und ihren zahlreichen Amateurproduktionen weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Projekt setzt an diesem Forschungsdefizit an, indem es Amateurfilmschaffen als Praktiken und Repräsentationen von Alltagsleben betrachtet. Es fragt nach der Art und Weise, wie gewöhnliche Menschen von Filmkameras Gebrauch machten, praktisch und visuell an einer Massenkultur teilnahmen, ihre Umgebung aufzeichneten und ihre Erfahrungen ästhetisch gestalteten. Drei Hauptpunkte sind dabei von Interesse: 1) die Themen, mit denen sich die Filmamateure auseinandersetzten, 2) die audiovisuellen Strategien, mit denen sie dies taten und 3) wie sie dadurch an politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Prozessen teilnahmen. Die Forschung wird somit die Art und Weise beleuchten, wie die Filmamateure in Jugoslawien gesellschaftspolitische Diskurse wahrgenommen, bewältigt und angeeignet und damit die visuelle Moderne mitgestaltet haben. Dabei wird nicht nur das Verständnis der jugoslawischen Filmgeschichte über ihre kommerziellen und professionellen Praktiken hinaus erweitert. Es wird zudem möglich, den jugoslawischen Amateurfilm in einer transnationalen Entwicklung zu verorten und so die Verbindungen lokaler Filmkulturen innerhalb größerer Kontexte aufzuzeigen.
Projektzeitraum | 01.08.2020 - 31.07.2023 |
Fördergeber Förderprogramm | Akademie der Wissenschaften DOC-Stipendien |
Bewilligungssumme | € 115.500 |
Einheit | Institut für Geschichte |
Projektverantwortung | Hanna Stein, MA. MA. |
Projektmitarbeiter:innen | |
Projekthomepage | https://stipendien.oeaw.ac.at/fileadmin/subsites/stipendien/img/gallery/2020___Poster/Posters_DOC_2020/Hanna_Stein_Poster.pdf |