Instrumentalunterricht wirkt sich positiv auf die Gehirnentwicklung von Kindern aus und kann Entwicklungsdefiziten entgegenwirken, wie etwa bei ADHS und Lese-Rechtschreib-Schwäche. Zu diesem Ergebnis kam eine groß angelegte Langzeitstudie unter der Leitung der Psychologin PD Dr. Annemarie Seither-Preisler vom Zentrum für Systematische Musikwissenschaft und PD Dr. Peter Schneider von der Neurologischen Klinik der Universität Heidelberg. Die ForscherInnen stellten fest, dass Musizieren unter anderem die Ausreifung der Hörfunktionen in der Hirnrinde und die Zusammenarbeit der beiden Hemisphären fördert.
Ihre Erkenntnisse über Unterschiede im Gehirn von Kindern mit und ohne Entwicklungsauffälligkeiten publizierten Seither-Preisler, Schneider, Univ.-Prof. Dr. Richard Parncutt, Leiter des Zentrums für Systematische Musikwissenschaft, Dr. Bettina Serrallach und weitere ForscherInnen aus dem Team unter dem Titel „Neural Biomarkers for Dyslexia, ADHD, and ADD in the Auditory Cortex of Children“ 2016 im renommierten Fachjournal „Frontiers in Neuroscience“. Der Beitrag stieß auf großes Interesse: Im Juli 2016 war er unter den am häufigsten betrachteten Artikeln der gesamten Frontiers-Zeitschriftengruppe. Zudem rangiert der Beitrag derzeit laut des Altmetric Attention Score, der eine Datenbank von bisher über sechs Millionen elektronisch erfassten wissenschaftlichen Artikeln umfasst, auf Prozentrang 93, was bedeutet, dass bisher nur sieben Prozent aller Publikationen mehr Beachtung fanden.
Die betreffende Arbeit befasste sich mit Kindern ohne Entwicklungsauffälligkeiten und Kindern mit Lese-Rechtschreibschwäche – auch bekannt als Legasthenie –, dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ADHS sowie ADS, einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität. Die StudienteilnehmerInnen wurden bisher dreimal im Verlauf neurologisch mittels Magnetenzephalografie und Magnetresonanztomografie sowie hörakustisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass es deutliche neurologische Marker für die jeweiligen Entwicklungsauffälligkeiten gibt. „Anhand der auditorisch evozierten Gehirnströme können wir klar zwischen den drei Störungsbildern unterscheiden“, so Seither-Preisler. Mit 90 bis 95 Prozent Trefferquote liefert diese Methode zuverlässigere Aussagen darüber, ob ein Kind von Legasthenie, ADHS oder ADS betroffen ist, als dies Verhaltenstests erlauben.
Nun suchen die ForscherInnen nach Möglichkeiten, auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen mittels neurologischer Messungen im Gehirn frühzeitig zu diagnostizieren.