Diese Woche schaut die Sportwelt nach Kitzbühel, auch die Olympischen Spiele stehen vor der Tür. Millionen Fans in Österreich hoffen auf viele Medaillen für das Land. Dass die Nation im Kollektiv ihren AthletInnen die Daumen drückt, ist wesentlich dem alpinen Schilauf zu verdanken. Wie diese Sportart nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen hat, unser Nationalbewusstsein erst zu formen, hat Dr. Christoph Eric Hack in seiner Dissertation am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz erforscht.
„Dieser Sport wurde zur nationalen Kultur und schuf damit Identität. Er bot den ÖsterreicherInnen ein Stück Heimat, das historisch unbelastet war und dem Staat globale Bedeutung zukommen ließ“, fasst der Absolvent zusammen. Die Siege der österreichischen RennläuferInnen in den späten 1940ern und 1950ern waren dabei ein Glücksfall für die Nationswerdung. Allen voran wurde Toni Sailer zur Ikone des Wiederaufbaus und verhalf dem Land zu einem neuen Maß an Selbstbewusstsein. Medial inszenierte Sportereignisse und das Bewusstsein um den touristischen Nutzen des Schifahrens trieben Stolz und Begeisterung zusätzlich in die Höhe. Außerdem hatte Österreich schon zuvor erheblichen Anteil an der Entwicklung der alpinen Fahrtechnik. „Darüber hinaus bietet unser Land geografisch die perfekte Kulisse für rasante Abfahrten“, ergänzt Hack. Gerade die Gebirgslandschaft wurde nach 1945 als unschuldige Idylle betrachtet – im Gegensatz zu den mit dem Nationalsozialismus verwobenen Städten.
Spätestens mit der Veranstaltung der Olympischen Spiele in Innsbruck 1964 funktioniert der Schisport als Symbol für die österreichische Nation. Die Impressionen aus den Bergen versichern, dass nichts mehr an etwaige dunkle Kapitel in der Vergangenheit erinnert und die Alpenrepublik alle Klischees bestätigt. „Kitzbühel wird zu einem Disneyland der Sportart, für die unser Land weltberühmt ist“, ergänzt der Historiker. Die Stars sind sowohl aktive AthletInnen als auch Legenden sowie ein Heer von SchilehrerInnen, die den Nachwuchs sichern und dafür sorgen, dass sich Inszenierungen auch in Zukunft fortsetzen lassen. „Hahnenkammrennen, Seriensiege und Horrorstürze, aber auch die Neigung zur Mythenbildung haben die Sportart dermaßen emotional aufgeladen, dass sie in Österreich Identität stiftet“, fasst Hack zusammen. Unbestritten ist dabei auch die Bedeutung herausragender Helden, nämlich Toni Sailer und später Karl Schranz. Dass wir heute mit Marlies Schild oder Marcel Hirscher mitfiebern, ist unter anderem „der Indoktrination der Kinder“ zu verdanken, wie Hack die beinahe dogmatischen Schikurse bezeichnet. „KritikerInnen des Schilehrplans werden öffentlich angefeindet, die österreichische Überlegenheit bei Kongressen der internationalen Schilehrerschaft wird gefeiert wie einst ein Sieg auf dem Schlachtfeld“, berichtet der Uni-Graz-Absolvent. Seine Dissertation wurde von Univ.-Prof. Dr. Helmut Konrad betreut.
Montag, 20.01.2014