Wie werden Bauwerke zu einem ideologischen Statement? Oder die Werke und Lebensläufe prominenter Künstler:innen in Spielfilmen politisch vereinnahmt? Die Instrumentalisierung von Kunst ist ein facettenreiches Thema, zu dem Julian Blunk forscht. Er ist seit Mai 2022 Professor für Kunstgeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert an der Universität Graz.
Filme mit Färbung
Was den Wissenschaftler aktuell besonders interessiert, ist die ideologische Vereinnahmung von Kunst und Architektur im Spielfilm, so etwa in „Andreas Schlüter“ aus dem Jahr 1942. Der bedeutende deutsche Barockbildhauer und -baumeister wurde 1694 von Kurfürst Friedrich III. an dessen Hof in Berlin berufen. „Im propagandistischen Film der Nazis wird Schlüter zu einer Führergestalt, die sich unter anderem gegen ein nicht näher bestimmtes Franzosentum auflehnt. Mit der historischen Wahrheit hat das kaum noch etwas zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine ideologische Interpretation, die allerdings recht geschickt so tut, als wäre sie keine“, schildert Julian Blunk.
Analysiert hat der Forscher auch den DDR-Film „Goya“, der ebenfalls stark politisch gefärbt ist. „Der Regisseur macht aus dem Maler Francisco de Goya (1746-1828) eine Figur, die sich auf die Seite des Arbeiter- und Bauernstands schlägt, was dem historischen Künstler nur bedingt gerecht wird“, so Blunk.
Bauwerke mit Bekenntnis
Die Neuauflage von Architekturstilen im 19. Jahrhundert und die damit verbundenen Ideen sind ein weiterer Schwerpunkt in Blunks Forschung. Ob Neugotik, Neobarock oder Neorenaissance: „Grundsätzlich ging es immer darum, einen Stil zur sozialen, nationalen oder konfessionellen Identitätsbildung in Anspruch zu nehmen, in der Regel exklusiv“, sagt der Kunsthistoriker. Wenn etwa der Barock als Kunst des Absolutismus galt, gerieten Neobarock-Gebäude häufig zu entsprechenden politischen Bekenntnissen, zur Monarchie oder zur Restauration.
„Goethe indes hatte in seinem Aufsatz ,Von deutscher Baukunst‘ 1773 die Gotik zum ,altdeutschen Styl‘, also zum nationalen Erbe erklärt, was zumindest in Deutschland lange Zeit ohne Widerspruch blieb“, bringt der Wissenschaftler ein anderes Beispiel für dieses identitätsstiftende Potenzial. „Die Vollendung des Kölner Doms im Stil der Neugotik war entsprechend ein Symbol der deutschen Reichseinigung.“
Gleichzeitig hatte der Historismus schon in den eigenen Reihen ungezählte Kritiker:innen, die in den Neo-Stilen, mal abhängig, mal unabhängig von deren ideologischer Vereinnahmung, nur blutleere Gespenster ihrer historischen Vorbilder erkannten.
Julian Blunk hat in Bochum studiert, in Dresden, Paris und zuletzt an verschiedenen Universitäten in Berlin gelehrt und geforscht. Graz ist für ihn in kultureller Hinsicht sehr attraktiv, „weil die Stadt ein ungeheuer reiches historisches Erbe und eine äußerst lebendige Kulturszene zu bieten hat. Dank ihrer besonderen Nähe zu mehreren Nachbarstaaten, Landschafts- und Kulturräumen ist sie ein hochinteressanter Schmelztiegel und somit in jeder Hinsicht lebenswert.“