Was macht ein gutes Leben in der Stadt aus? Und wie können wir Städte klug weiterentwickeln? Diese Fragen stellten sich PhilosophInnen der Uni Graz gemeinsam mit ArchitektInnen, GrünraumplanerInnen, StadtklimaexpertInnen und SozialarbeiterInnen im Projekt „Living Green City“, dessen Ergebnisse am 27. Februar 2017 in der Smart City Waagner-Biro präsentiert wurden. In dem Projekt, das vom Stadtteilmanagement vor.ort der Smart City Graz geleitet und vom Verein StadtLABOR betreut wurde, arbeiteten Teams der Karl-Franzens-Universität und der TU Graz sowie Green4Cities, ein Startup der Universität für Bodenkultur Wien, zusammen. Aufgabe war zu sondieren, welche Potenziale und Ressourcen im Grazer Stadtteil Waagner-Biro genutzt werden könnten, damit die Lebensqualität der BewohnerInnen – auch der zukünftigen – gesichert bleibt bzw. steigt.
„Menschen brauchen die Natur und andere Menschen“, fasst Dr. Barbara Reiter vom Institut für Philosophie der Uni Graz die Quintessenz aus Interviews mit BewohnerInnen zusammen. „Das bestätigt einmal mehr die Ergebnisse unserer Glücksstudie, die wir vor vier Jahren durchgeführt haben.“ Bei der Schaffung von mehr Grün, das die Menschen zusammenbringt, komme der Stadtplanung eine zentrale Rolle zu, die jedoch diese Bedürfnisse bislang viel zu wenig berücksichtige, bedauert Reiter. Im aktuellen Sondierungsprojekt, das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG aus Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert wurde, haben Fachleute aus den genannten Bereichen gemeinsam erarbeitet, was notwendig und möglich wäre, und ihre Vorschläge nun präsentiert.
Im Stadtteil Waagner-Biro in Graz-Eggenberg wird viel geplant und gebaut. Eine Smart City soll dort entstehen. Verdichtung ist das Ziel der Stadtregierung, um Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen und zugleich zu verhindern, dass die Zersiedelung im Grüngürtel um Graz weiter zunimmt. „Wenn die Stadt dichter wird, muss sie aber auch grüner werden“, fordert Barbara Reiter. Dass das kein Widerspruch ist, erklärt Dipl.-Ing. Andreas Goritschnig vom Institut für Architektur und Landschaft der TU Graz: „Wir müssen das Grün besser nutzen. Es gibt viele Möglichkeiten und Ideen, etwa die Begrünung von Fassaden oder Carport-Dächern in Wohnanlagen.“ Einige solcher Prototypen wurden bei der Präsentation vorgestellt. Ein Ziel sollte aber generell sein, nicht nur „Betrachtungsgrün“ zu schaffen. „Wir möchten die Menschen ins Draußen holen, Begegnung und gemeinsame Aktivitäten ermöglichen, neue Formen der Nutzung des öffentlichen Raums aufzeigen“, so Goritschnig. Diese entstehen nach Meinung des Architekten aber nicht von selbst: „Dazu braucht es entsprechende Infrastrukturen und koordinierte Angebote. Man muss den Leuten zeigen, was alles möglich ist.“
Im Green Living Lab, das um den Container „vor.ort“ des StadtLABOR gegenüber der Helmut-List-Halle entstanden ist, wird erfahrbar, was Goritschnig meint. Dort können StadtbewohnerInnen Natur- und Wachserfahrungen machen – im Sinne von Urban Gardening, sich aber auch darüber hinaus einbringen, etwa beim Besuch von Workshops. „Solche Modelle brauchen eine langfristige Perspektive, die über temporäre Förderungen hinausgeht. Sie können auch nicht ausschließlich von Ehrenamtlichen verantwortet werden“, ist Barbara Reiter überzeugt. „Es braucht ein Umdenken sowie die Kommunikation und das Zusammenwirkung vieler AkteurInnen, von der Stadtregierung bis zur Schule.“ Neben dem Bewusstsein müsse ebenso das entsprechende Wissen geschaffen werden. Deshalb ist es der Philosophin ein großes Anliegen, dieses Denken und Know-how auch in der Ausbildung von PädagogInnen zu verankern. Reiter wünscht sich außerdem einen Schulgarten als obligatorisches Modell für jede Schule der Stadt.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt im Zusammenhang mit der Schaffung von mehr Grün ist die Verbesserung des Stadtklimas. Pflanzen bringen zum einen Kühlung, was im Sommer angesichts steigender Temperaturen von Bedeutung ist. So machen etwa bei der Höhe des Grases bereits wenige Zentimeter einen Unterschied. Zum anderen bindet das Grün Feinstaub und würde sich somit zusätzlich positiv auf die Luftqualität auswirken.