„Hartberg, heute eine oststeirische Bezirksstadt, war im 12. Jahrhundert für die Markgrafen aus dem Geschlecht der Traungauer der bedeutendste Ort ihres Herrschaftsgebiets südlich der Alpen“, weiß der Historiker Ao.Univ.-Prof. Dr. Alois Kernbauer. Bis ins 16. Jahrhundert befand sich Hartberg im Besitz des jeweiligen Landesfürsten und genoss besondere Privilegien, die seine BürgerInnen zum Teil verloren, als die Stadt an adelige Grundherren verpfändet und schließlich verkauft wurde. „In seiner weiteren Geschichte spiegelt Hartberg wie kaum eine andere Stadt die Veränderungen der staatlichen Herrschaftsformen im 17. Jahrhundert wider und gibt damit besonders aufschlussreiche, europaweit relevante Einblicke in die Ausbildung der modernen Staatsorganisationsformen“, unterstreicht Kernbauer. Der Leiter des Archivs der Karl-Franzens-Universität Graz hat in einer knapp 550 Seiten starken Publikation die Entwicklung anhand von Stadtrechtsquellen vom 12. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts aufgearbeitet.
Im dualistischen Ständestaat, der bis ins beginnende 17. Jahrhundert existierte, teilten sich auf Landesebene der Landesfürst und der Landtag, bestehend aus VertreterInnen des Adels und der Kirche, Grund und Boden sowie Untertanen. Die meisten Städte und Märkte gehörten entweder einem adeligen Grundherrn – wie beispielsweise die Stadt Murau – oder einem Kloster – so etwa der Markt Vorau. Von den eingehobenen Steuern musste ein Teil an den Landesfürsten abgeführt werden.
Neben diesen sogenannten patrimonialen Städten gab es nur wenige, die im Besitz des Landesfürsten waren. Zu ihnen gehörte Hartberg. „In einer landesfürstlichen Stadt genoss die Bürgerschaft meist größere Freiheiten als in patrimonialen Orten. So durften die HartbergerInnen unter anderem ihren Stadtrichter, der dem Landesfürsten verpflichtet war, frei wählen“, berichtet Kernbauer.
Als in den 1470er-Jahren wiederholt osmanische Streifscharen plündernd durch die Region zogen und junge Männer als Sklaven verschleppten, brach in Hartberg die Wirtschaft zusammen. Um die Stadt in dieser schwierigen Zeit zu fördern, verlieh ihr der Landesfürst einige Privilegien. „Sie bekam die Erlaubnis, zusätzliche Markttage abzuhalten, und die BürgerInnen wurden für ihre Waren und Güter von den an den zahlreichen Mautstellen im Land zu entrichtenden Gebühren befreit. Außerdem erhielt die Stadt die Hochgerichtsbarkeit, die über Leben und Tod entschied“, fasst Kernbauer zusammen. Im 16. Jahrhundert, als der Landesfürst Geld für die Verteidigung gegen die Türken brauchte, verpfändete er die Stadt Hartberg mehrmals.
Anfang des 17. Jahrhunderts beendete die Einführung des Absolutismus den dualistischen Ständestaat. „Der Landesfürst war nun bestrebt, die Macht zu zentralisieren und die Verwaltung zu vereinheitlichen. Beim Aufbau der neuen Strukturen des Staates stützte er sich meist auf niedere Adelige, die in seinem Auftrag agierten, so wie die Freiherren von Paar“, erklärt der Historiker. Das ursprünglich unbedeutende Geschlecht aus dem niederen Adel war im ausgehenden 15. Jahrhundert aus Oberitalien an den Habsburgerhof gekommen und hatte sich durch den Aufbau des Postwesens verdient gemacht, womit sein Aufstieg begann. „Weil der Landesfürst sie für ihre Dienste wieder einmal nicht bezahlen konnte, verpfändete er die Stadt Hartberg an sie. 1624 wurde die Stadt schließlich von Kaiser Ferdinand II. an Rudolf Freiherr von Paar verkauft.
Für die Bürgerschaft von Hartberg bedeutete der Verlust des Landesfürsten als Stadtherrn eine Einschränkung ihrer Rechte. So setzte die neue Herrschaft unter anderem den Stadtrichter selbst ein. Weil sich die EinwohnerInnen das nicht gefallen lassen wollten, kam es immer wieder zu Konflikten. Die Bevölkerung berief sich auf ihre jahrhundertealten Rechte und appellierte an den Landesfürsten, der jedoch den Freiherren von Paar freie Hand ließ. „1613 wurden nach einem juristischen Streit der Stadtrichter Matthias Wels sowie der Stadtschreiber Hans Preßl verhaftet und ausgewiesen. Preßl kehrte heimlich nach Hartberg zurück, wo er dann durch Abgesandte des Schlossherrn Rudolf von Paar ermordet wurde“, schildert Kernbauer. Ähnliche Konflikte gab es auch an anderen Orten, doch diese verliefen meist weniger dramatisch.
Über 200 Jahre später, 1848, beendet schließlich das Grundentlastungsgesetz die Abhängigkeit der BürgerInnen von der Grundherrschaft.
Publikation
Alois Kernbauer: Stadtrecht – Stadtherrschaft – Staat. Die Integration der Stadt in den absolutistischen Staat am Beispiel der Rechtsquellen Hartbergs, Böhlau 2017
Die Publikation erschien in der Reihe „Fontes rerum Austriacarum. Fontes iuris“, herausgegeben von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ziel der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Stadtrechtsquellen ist, eine überregional vergleichende Städtegeschichte zu ermöglichen.
Mittwoch, 14.03.2018