Die Völker der Erde sind in Bewegung: Menschen wechseln aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen ihren Lebensmittelpunkt. Eine Herausforderung, mit der sich die europäische und auch österreichische Gesellschaft auseinandersetzen muss. Wichtig dabei ist, die Menschen auch hinsichtlich des Erwerbs der Landessprache zu unterstützen. Ein Weg läuft hierbei über gezielte Sprachfördermaßnahmen.
Ab dem kommenden Schuljahr werden in Österreich sogenannte „Deutschförderklassen“ Realität. Wie im neuen Bildungsprogramm der Bundesregierung vorgesehen, sollen diese Klassen – wider die Empfehlungen von ExpertInnen – SchülerInnen mit nicht-deutscher Familiensprache, die „dem Unterricht nicht folgen können“, dabei helfen, die deutsche Sprache in intensiver Form getrennt von der Regelklasse zu erlernen. Diese segregative Form der Sprachförderung wird von vielen kritisiert und widerspricht bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eines erfolgreichen Zweitspracherwerbs. An der Universität Graz beschäftigt sich ein enges Netzwerk aus SprachforscherInnen, PädagogInnen und FachdidaktikerInnen mit Lösungen, wie der Erwerb von Deutsch als Zweitsprache für diese Zielgruppe abseits eines isolierten Unterrichts in der Schule aussehen kann.
ForscherInnen und Lehrende haben bereits in mehreren Briefen und öffentlichen Bekundungen versucht, auf die Problematik und Gefahr dieser isolierten Deutschförderklassen aufmerksam zu machen. „Ein falscher Weg und Zugang“, nennt Sabine Schmölzer-Eibinger, Leiterin des Fachdidaktikzentrums an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, dieses Vorhaben der Politik. Sie stellte gemeinsam mit KollegInnen fest: „Die aktuelle Forschung wählt einen anderen Zugang als in diesem Programm vorgesehen ist. Eine Verschränkung von additiver und integrativer Deutschförderung ist weitaus erfolgreicher und vielsprechender als ein rein isolierter Sprachunterricht.“ Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass Kinder eine neue Sprache schneller und besser lernen, wenn sie mit Gleichaltrigen kommunizieren. Zumal die Interaktion in Gruppenarbeiten oder auch in den Pausen trägt wesentlich zum erfolgreichen Spracherwerb bei. Die von der Regierung avisierten 15 bis 20 Wochenstunden Deutschförderung in eigenen Klassen seien daher kontraproduktiv, sagt Schmölzer-Eibinger. Erfolgreicher wäre es, wenn die Kinder die Regeklassen besuchen und zusätzliche Deutschförderung erhalten würden. Das bedeutet mehr soziale Integrität und ermöglicht auch ein individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse der einzelnen SchülerInnen. „Dazu kommt noch die Tatsache, dass betroffene Kinder dreiviertel ihrer wöchentlichen Schulzeit nur in Deutsch als Zweitsprache unterrichtet werden“, führt die Fachdidaktikerin aus. „Dieses Trennen von Sprachlernen und Fachlernen, wie Mathematik und Sachkunde, erschwert den Spracherwerb und ist kontraproduktiv.“
Vorschläge für einen wirksamen Deutschförderunterricht wurden von den WissenschafterInnen erarbeitet und in einem Forderungskatalog der Bundesregierung vorgestellt. Darin wird vor allem auf die Kombination von Sprach- und Fachunterricht bis zur Sekundarstufe II wie auch auf ein gezieltes Aus-, Fort- und Weiterbildungsprogramm von Lehrenden, auch hinsichtlich von Mehrsprachigkeit gedrängt. Neue Forschungsansätze und Best-Practice-Beispiele wurden im Rahmen der Tagung „Sprachliche Bildung in der Migrationsgesellschaft zwischen Wertevermittlungs- und Bildungspflicht“ Ende Juni an der Universität Graz erörtert und präsentiert.