Am Beispiel der UNIDO, der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung, verdeutlicht die Wissenschaftlerin die wiedererstarkte Aufmerksamkeit für Österreich. 1967 hatte die UNO beschlossen, das Hauptquartier ihrer Sonderorganisation in Wien aufzuschlagen.
Im Windschatten einer internationalen Organisation versuchte die heimische Politik die blasse rot-weiß-rote Bedeutung in der Welt zu steigern. „Es bot außerdem die Gelegenheit, die anfangs ungeliebte Neutralität mit Leben zu erfüllen“, so Knoll. Sie widerspricht allerdings der These, wonach der neutrale Status für die Wahl großer globaler Institutionen allein ausschlaggebend gewesen wäre. „Es war vielmehr auch das Ergebnis intensiver Lobbyarbeit“, erklärt Sarah Knoll die Entscheidung der UNIDO. „Mit dem Bau der UNO-City hat Österreich den Vereinten Nationen aber auch ein gutes Angebot gemacht.“ Für das 1979 eröffnete Zentrum zahlt die UNO über einen Zeitraum von 99 Jahren eine symbolische Miete in der Höhe von 7 Cent (ehemals ein Schilling).
Zugleich sollte das Konzept der UNIDO wohl auf das quartiergebende Land abfärben. Denn zu ihren Aufgaben gehört es, die Industrialisierung des sogenannten Globalen Südens zu unterstützen sowie ökonomisches Ungleichgewicht und Armut zu bekämpfen. „Man hat sich über die Projekte der UNIDO hierzulande wirtschaftliche Impulse erhofft“, weiß die Historikerin. Erwartungen, die zum Teil eingetreten sind. Denn die größere Wahrnehmung von außen bescherte der Republik sowohl industrielle als auch touristische Sichtbarkeit.
Grundsätzlich ging es den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP um mehr weltweite Resonanz, die ebenso beim humanitären Engagement wie bei der Ungarn-Hilfe 1956 eine bedeutende Rolle spielt. „Das hat außerdem die Bindung zum Westen hervorgehoben“, nennt Sarah Knoll eine weitere Komponente der österreichischen Identitätsbildung in der Epoche des Kalten Kriegs.
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