Die Weltliteratin Friederike Mayröcker hat in ihrer enormen Produktivität ein nahezu unüberschaubares Werk vorgelegt, das über 100 Bücher umfasst. Zu ihrem 100. Geburtstag hat die Literaturwissenschaftlerin Alexandra Strohmaier, die seit über 20 Jahren zur österreichischen Dichterin forscht, gemeinsam mit ihrer Brüsseler Kollegin Inge Arteel das erste Nachschlagewerk zu Mayröcker herausgebracht. „Ich habe mich schon in meiner Dissertation mit der Autorin beschäftigt. Ihre Texte sind einzigartig und werden oft als komplex charakterisiert“, schildert Strohmaier ihre Faszination. „Den Geburtstag nahm ich zum Anlass, mit einem internationalen Team eine umfangreiche Kartierung des Gesamtwerks vorzunehmen. Das im Metzler-Verlag erschienene Handbuch mit Beiträgen von rund 30 Germanist:innen ist ein Meilenstein in der Mayröcker-Forschung und gleichzeitig eine grundlegende Publikation zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
Auch Klaus Kastberger, Leiter des Literaturhauses der Uni Graz und Bachmann-Juror, hat sich mit der gefeierten Autorin auseinandergesetzt – unter anderem mit den bekannten Zettel-Türmen in ihrem chaotisch anmutenden Arbeitszimmer. Einer seiner Beiträge ist soeben in der öffentlich zugänglichen Wien-Bibliothek im Wiener Rathaus erschienen. „Friederike Mayröckers Schreiben ist einzig und allein vor dem Hintergrund ihrer anarchistischen Werkstatt denkbar. Unter Bergen sprachlichen Materials hat sie bis in das höchste Alter hinein eine Künstlerexistenz verwirklicht, die von einer unbändigen Freiheit der poetischen Form und einer absoluten Unverrückbarkeit der poetischen Aussage geprägt war“, fasst Kastberger zusammen. Es gebe keine zweite Autorin, die es in diesen radikalen Künsten so weit gebracht habe. „Jetzt, wo diese Materialien geordnet in Literaturarchiven liegen, verbleibt von ihrer ursprünglichen Kraft nur noch ein ferner Abklatsch. Aber auch der geht einem zu Herzen“, meint der Forscher.