Er sei für die Feier gerade aus dem englischen Oxford angereist, erzählt Lukas Spielhofer. Immerhin: „Ich habe zwei Jahre auf diesen besonderen Moment gewartet.“ Der junge Wissenschaftler, der sich ganz der klassischen Philologie verschrieben hat, promovierte am 15. März gemeinsam mit fünf Nachwuchsforschern der TU Graz in der Aula der Alten Universität unter den Auspizien des Bundespräsidenten. Zwar nicht persönlich mit Alexander Van der Bellen, wohl aber im Beisein der Rektoren Peter Riedler und Horst Bischof sowie dem Steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler. Ein Empfang des Staatsoberhauptes in der Hofburg samt Ringübergabe findet am 18. März statt.
Spielhofer hat in seiner akademischen Karriere bereits Einiges erlebt: die Französisch-, Latein- und Pädagogik-Studien befähigten ihn zur Ausübung des Lehrberufs an Schulen, zuletzt am Grazer Akademischen Gymnasium. Daneben absolvierte er Master-Studien der Klassischen Philologie und der Digitalen Geisteswissenschaften. Am Institut für Antike der Universität Graz arbeitete er zunächst am Projekt „Grazer Repositorium antiker Fabeln (GRaF)“ mit, was den gebürtigen Grazer schließlich auf Babrios, einen Dichter der römischen Kaiserzeit, aufmerksam machte, der wesentlich für seine weiteren Forschungen werden würde. Und so kam es, dass Spielhofer in seiner Dissertation Babrios’ iambische Versfabeln genauer unter die Lupe nahm – ein Vorhaben, bei dem er von einem Promotionsstipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unterstützt wurde.
Babrios ist ein griechischer Fabeldichter, der wohl im 2. oder 3. Jh. n. Chr. im Osten des römischen Reichs lebte. Über sein Leben lassen sich nur Vermutungen anstellen, so gibt es etwa Hinweise darauf, dass er im Bereich des heutigen Syrien gewirkt haben könnte. „Abschriften seiner Verse wurden unter anderem auf Wachstafeln in der Oasenstadt Palmyra gefunden. Das lässt darauf schließen, dass er wohl in dieser Region rezipiert wurde.“ Auch dürfte sein Werk im antiken lateinisch-griechischen Sprachunterricht verwendet worden sein, so der 30-jährige Philologe. Davon zeugen unter anderem lateinische Übersetzungen seiner Fabeln auf Papyri, die, so die These der Forschung, wohl von Schüler:innen angefertigt wurden, die im Osten des Reiches mit Babrios’ Fabeln Latein lernten.
Das Werk dieses Dichters war lange Zeit unbekannt. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein Großteil seiner 144 Gedichte umfassenden Sammlung durch Zufall gefunden: Als der griechische Gelehrte und „Handschriftenjäger“ Konstantinos Minas 1842 das Kloster Megisti Lavra auf dem Berg Athos in Griechenland besuchte, fand er in der Bibliothek der Mönche einen Kodex mit diesen besonderen Versen. Er nahm ihn mit und so gelangte er über Umwege in die British Library. „Der Großteil der Werke antiker Autoren ist uns bereits seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden bekannt; dass aber gänzlich neue Werke erst so spät (wieder-)entdeckt werden, ist selten“, weiß Spielhofer.
Fabel ist nicht gleich Fabel
In der literarischen Aufklärung, besonders bei Gotthold Ephraim Lessing, ist der moralische Satz der zentrale Bestandteil der Fabel. Er definiert diese Textform als eine kurze, erdichtete Geschichte, die eine allgemeine Wahrheit oder moralische Lehre auf anschauliche Weise vermittelt. Dabei betont Lessing, dass die Fabel durch ihre Darstellung von handelnden Tieren oder unbelebten Objekten, die menschliche Eigenschaften besitzen, diese Lehren auf eine unterhaltsame und für den Leser leicht zugängliche Weise vermittelt. Etwas anders in der antiken Fabeldichtung: „Statt einer moralischen Unterweisung scheint bei Babrios vielmehr die Freude am Erzählen und die Gestaltung kurzer, unterhaltsamer, teilweise auch skurriler Geschichten über das Leben von Mensch und Tier im Mittelpunkt zu stehen“, erklärt der Literaturwissenschaftler.
Natur und Umwelt im Zeitraum von 1000 Jahren
Lukas Spielhofer ist derzeit im Rahmen eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des FWF an der Universität Oxford tätig. Auch bei seinem neuen Forschungsprojekt haben ihn die Verse fest im Griff. „Aktuell beschäftige ich mich mit der didaktischen Dichtung der Antike, darunter Werke von namhaften Autoren wie Vergil oder Hesiod aber auch bislang weniger beachteten Schriftstellern“, fasst er zusammen. Dabei faszinieren ihn die Darstellung und der Umgang mit der Natur in diesen Texten. „Es ist verblüffend, wie die Gesellschaft der griechischen und römischen Antike ihre Umgebung wahrgenommen und darüber geschrieben haben: Vom Gegensatz Mensch gegen Natur bis zur Symbiose Mensch mit Natur zeigen sich in antiken Texten faszinierende Facetten des menschlichen Denkens.“ Im Wesentlichen, so der sub auspiciis-Promovend der Uni Graz, sei es nicht anders als heute: „Wie in zeitgenössischer Literatur lassen sich auch in Werken, die vor vielen tausend Jahren entstanden sind, anregende Haltungen und Sichtweisen der Menschen auf ihre Umwelt finden. Auf gewisse Weise lassen uns diese antiken Texte auch anders auf Diskurse unserer Zeit blicken.“