Zu Beginn der Pubertät durchleben alle Kinder eine Lesekrise. Wie sich diese genau auswirkt und wie man die Jugendlichen bei Buch-Laune halten kann, hat Dr. Eva Kaufmann in ihrer Dissertation am Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität erstmals erforscht. Sie wurde dafür kürzlich mit dem von der Uni Graz vergebenen Viktor-Obendrauf-Preis für hervorragende fachdidaktische Abschlussarbeiten ausgezeichnet. Im Frühjahr erscheint die Arbeit unter dem Titel „Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät“ im Narr-Verlag in Buchform.
Kleine Kinder lassen sich ihre Lieblingsgeschichten immer und immer wieder vorlesen und greifen auch im Volksschulalter gerne zu denselben Buchreihen. „Mit rund 13 Jahren werden sie der Kinderliteratur allerdings überdrüssig, die bewährten Schemata der Geschichten werden langweilig. In der Folge wenden sich die Jugendlichen anderen Genres zu, lesen seltener, kürzer oder verlieren gar ganz die Freude daran“, hat Kaufmann herausgefunden. Diese Entwicklung machen auch Kinder mit Deutsch als Zweitsprache durch, in ihrer Muttersprache setzt die Lesekrise allerdings schon ein volles Jahr früher ein, wie die Germanistin erstmals untersucht hat. Gerade in der heutigen Medienwelt sei die Lesekompetenz allerdings enorm wichtig. Eltern wie LehrerInnen sind daher gefordert, die Lust an der Lektüre aufrecht zu erhalten.
„Eine Methode wäre die Auswahl altersgerechter Themen und Gattungen“, weiß Kaufmann. Sie hat im Rahmen ihrer Dissertation genau erhoben, was Jugendlichen besonders gefällt. Zwischen acht und zwölf Jahren sprechen Mädchen überwiegend klischeehaften Mädchenthemen zu, lesen gerne Geschichten über Tiere oder die Probleme Gleichaltriger. Burschen hingegen interessieren sich mehr für Comics und spannende Geschichten. Mit zunehmendem Alter greifen sie eher zu Abenteuer-, Science-Fiction- und Fantasy-Romanen, während junge Damen Liebesthemen, Stars oder Bücher über das Leben und die Probleme Jugendlicher bevorzugen. „Heranwachsende Buben konsumieren von sich aus verstärkt Online-Medien. Mit interaktiven Geschichten und Aufgaben am Computer lassen sie sich leichter für das Lesen begeistern“, so die Expertin.
Kinder mit Deutsch als Zweitsprache sollten auch im Unterricht motiviert werden, ihre Muttersprache zu vertiefen. Fehlen ihnen nämlich da Kompetenzen, können sie auch das Deutsche nicht ausreichend erlernen. „Werden beispielsweise Märchen durchgemacht, können solche aus einem anderen Kulturkreis eine besondere Bereicherung für alle sein. Auch eine fixe Lesezeit und Coaches sind leicht zu realisierende Wege, alle Heranwachsenden für die Lektüre zu begeistern“, nennt Lehrerin Kaufmann bewährte Beispiele aus der Praxis.
Je selbstverständlicher Lektüre und Geschichtenerzählen in der Familie schon im Vorschulalter in den Alltag integriert werden, desto eher greifen Jugendliche auch nach der Pubertät noch zu Büchern und Zeitschriften.
Donnerstag, 29.01.2015