Wenn wir uns auf unsere vier Buchstaben setzen, jemandem ein X für ein U vormachen wollen oder einen Plan B haben: Unsere Sprache ist voll von bildhaften Ausdrücken, die aus dem Bereich der Schrift, des Lesens und Schreibens kommen. Mag. Wolfgang Holanik hat in seiner 300 Seiten starken Diplomarbeit weit verbreitete wie seltenere Redewendungen buchstäblich von A bis Z durchforstet, ihre Verbreitung und Verwendung analysiert und die Bedeutung auf den Punkt gebracht.
„Ich habe knapp 200 Belege dafür gefunden und versucht, ihre Entstehung zu rekonstruieren. Die ältesten Ausdrücke stammen bereits aus dem 14. Jahrhundert“, erzählt der Germanist. Dabei hat sich gezeigt, dass mit der Schrift verbundene Sprachbilder häufig Genauigkeit, Vollständigkeit oder Sicherheit zum Ausdruck bringen. „‚Das gebe ich dir schriftlich‘ oder ‚sich an die Buchstaben des Gesetzes halten‘ sind typische Beispiele dafür“, so Holanik. Interessant sei auch, dass die Schrift als Jahrtausende alte Kulturtechnik alle Lebensbereiche prägt und solche Metaphern von allen Bildungsschichten verwendet wurden und werden.
Noch kein Schlussstrich gezogen
Neue Wendungen aus dem Bereich der Schrift sind in den letzten Jahrzehnten kaum noch entstanden. „Das liegt sicherlich daran, dass audiovisuelle Medien, allen voran die EDV, zu neuen Bildspende-Bereichen geworden sind“, ist Holanik überzeugt. Vom Aussterben bedroht sind die Phrasen im EDV-Zeitalter allerdings keineswegs, schließlich betrachten wir heute noch gewisse Abmachungen als in Stein gemeißelt. Man kann sich also auch im Zeitalter der Online-Formulare noch in einem Papierkrieg verzetteln, und IT-Projekte, die die Handschrift von KönnerInnen tragen, werden nicht dem Rotstift zum Opfer fallen. I-Tüpfel-Reiter, die mit spitzer Feder ans Werk gehen, könnten dafür im 21. Jahrhundert noch schnell in der Tinte stecken, wenn sie jemanden papierln. Aber das steht auf einem anderen Blatt.
Projekt WortSchätze
Holaniks Arbeit ist bereits die neunte im Rahmen des von Ao.Univ.-Prof. Dr. Wernfried Hofmeister initiierten Langzeit-Projekts WortSchätze, das auf verschiedene Bereiche als Ausgangsbasis für sprachliche Bilder aufmerksam macht – unter anderem auf den Sport, die Mathematik oder das Essen. Weitere zur Magie und zum Rechtsbereich sind geplant. „Mit diesen Analysen wollen wir zeigen, wie solche Metaphern wirken und woher sie kommen“, so Hofmeister. Nicht wörtlich verwendete Sprache sei vor allem für MigrantInnen eine große Hürde und könne zu fatalen Missverständnissen führen.
Holaniks Analysen und Erklärungen sind – wie auch alle untersuchten Sprachbilder aus vorangegangenen Projekten – auf der Website wortschaetze.uni-graz.at abrufbar.
Montag, 09.05.2016