Angela Gencarelli (Zentrum für Kulturwissenschaften) bespricht Mikael Vogels Gedichtband Dodos auf der Flucht. Requiem für ein verlorenes Bestiarium
Im Jahr 2020 hat der Lyriker Mikael Vogel einen bemerkenswerten Essay vorgelegt, der von der Poesie und Poetik „inmitten, nicht angesichts der gegenwärtigen Massenaussterbewelle“ von Tieren und Pflanzen handelt (Tier, 2020, 6). Darin bewegt Vogel die Frage, „an wie viele Tierarten [...] man nur deshalb zurückdenken [...] wird, weil jemand eine eindringliche Gedichtzeile über sie schrieb.“(21) Wie sich im weiteren Verlauf seines Essays andeutet, könnte die Antwort darauf ernüchternd ausfallen: Das gegenwärtig statthabende, durch den Menschen verursachte Massenaussterben hat mit einer geschätzten Rate von rund 27.000 verlorenen Tier- und Pflanzenarten pro Jahr eine derartige Geschwindigkeit erreicht, dass es schwer fallen dürfte, auch nur einem Bruchteil von ihnen überhaupt ein Denkmal, geschweige denn ein lyrisches Denkmal zu setzen. Nichtdestotrotz oder gerade wegen dieser Tatsache, dass die Tiere neben ihrem biologischen Tod auch der kulturelle Tod im kollektiven Gedächtnis ereilt, hat Mikael Vogel im Jahr 2018 mit Dodos auf der Flucht. Requiem für ein verlorenes Bestiarium einen umfangreichen Gedichtband vorgelegt, der sich der stattlichen Anzahl von rund 90 ausgestorbenen oder bedrohten Tierarten in über 140 ‚eindringlichen‘ Poemen widmet.
Auf welche Weise Mikael Vogel dem ‚Verstummen der Natur‘ lyrischen Ausdruck verliehen hat und welches grundlegende Potential der Lyrik im Umgang mit der globalen Umweltkrise zukommt, rekonstruiert Angela Gencarelli in einem Beitrag zur aktuellen Sonderausgabe der Zeitschrift Germanica (https://journals.openedition.org/germanica/15949).
Gencarellis Beitrag und Vogels Gedichtband wurden außerdem jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (23.03.2022) besprochen. Eine Vorschau des Artikels findet sich unter: https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/ein-lyrisches-bestiarium-die-suesse-stimme-hebend-17895913.html