Das so genannte „Lager Liebenau“ war das größte Zwangsarbeiterlager in Graz während der Zeit des Nationalsozialismus. Es diente als Zwischenstation für ungarische JüdInnen auf ihren Todesmärschen nach Mauthausen, mindestens 34 Menschen wurden hier nachweislich ermordet. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert nun eine Gedenktafel an die Vergangenheit dieses Orts. Stadt, Land und die Universität Graz sowie das Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung (LBI) haben sich gemeinsam für die Errichtung eingesetzt.
Die ursprünglich für April 2020 geplante Präsentation der Tafel musste coronabedingt verschoben werden, nicht zufällig wurde allerdings der 11. September als neuer Termin gewählt: am 11. September 1947 hatte in Graz der Prozess gegen vier ehemalige Wächter begonnen. Danach geriet das Lager allerdings rasch in Vergessenheit, das Areal wurde für Wohnhäuser und öffentliche Einrichtungen zugänglich gemacht. In den vergangenen Jahren stieg jedoch das öffentliche Interesse am Lager Liebenau wieder, das teils durch private Initiativen, teils durch Forschungen der Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx (Universität Graz und LBI) vorangetrieben wurde. Im Rahmen der Vorarbeiten für das Murkraftwerk gaben die Energie Steiermark und die Stadt im Jahr 2011 schließlich eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung zum Lager Liebenau in Auftrag. Inzwischen ist das ehemalige Lagerareal als Bodenfundstätte deklariert. Offen ist die Frage, ob noch Opfer unter der Erde liegen.
Die Gedenktafel hat auch eine digitale Dimension: eine App ermöglicht einen virtuellen Rundgang durch das Lager, eine Filmdokumentation liefert zusätzlich weitere Hintergrundinformationen. Projektleiterin Barbara Stelzl-Marx betonte bei der Präsentation: „Wie das Vergessen verhindert werden kann, ist eine Diskussion, der sich jede Generation erneut stellen muss. Die Erinnerungstafel mit digitalem Rundgang ist ein wichtiges Zeichen am ehemaligen Lager Liebenau, das zur Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Grazer Zeitgeschichte einlädt. Die lange verdrängten Spuren des Holocaust vor unserer Haustür werden somit sichtbar gemacht.“
Der digitale Rundgang per App: https://www.culturalplaces.com/de/tour/lager-tour
Filmdokumentation von Markus Mörth: www.graz.at/lagerliebenau