Die Steiermark ist seit Jahrtausenden ein beliebtes Siedlungsgebiet. Davon zeugen zahlreiche Fundorte. Einer der bedeutendsten der Eisenzeit ist Strettweg bei Judenburg, wo 1851 der berühmte Kultwagen aus dem 7. Jahrhundert vor Christus entdeckt wurde. Ein Team um Susanne Tiefengraber vom Institut für Archäologie der Universität Graz widmet sich dieser Fundstätte und ihrer Umgebung, der „Mikroregion Strettweg“, im Rahmen des EU-Projekts „Iron-Age-Danube“. Ziel ist, zum einen die Ausgrabungen und die bisher gewonnenen Erkenntnisse für Kulturvermittlung und Tourismus aufzubereiten, um das Bewusstsein der Bevölkerung für die Bedeutung des archäologischen Erbes der Region zu stärken. Zum anderen sollen noch offene Forschungsfragen beantwortet werden: Welche Ressourcen standen der Siedlung zur Verfügung? Was bauten die Menschen an? Welche Tiere hielten sie? Was wurde lokal produziert, was importiert? Woher hatten sie das unter anderem für die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Eisen benötigte Holz? An dem Projekt, das vom Universalmuseum Joanneum in Graz koordiniert wird, sind Institutionen aus verschiedenen europäischen Staaten beteiligt, deren Forschungen sich jeweils auf eine eisenzeitliche Kulturlandschaft in ihrem Umkreis konzentrieren.
Auf dem Falkenberg und im umgebenden Aichfeld in der heutigen Ortschaft Strettweg lebten in der älteren Eisenzeit (800–450 vor Christus) – auch Hallstattzeit genannt – vermutlich zwischen 3 000 und 4 000 Menschen. Auf dem Falkenberg bei Strettweg befand sich die bedeutendste Siedlung der Mikroregion, die sich vor allem durch ihre spezielle Lage an überregionalen Verkehrs- und Handelswegen auszeichnet. „Auf ihrem Weg nach Hallstatt zogen Händler mit Tauschwaren und Luxusgütern vorbei. Vermutlich trugen die Eisenvorkommen auf dem Falkenberg zur Erhöhung des Wohlstandes und der Macht ihrer BewohnerInnen bei, sodass eine ,fürstliche‘ Elite entstehen konnte. Die reiche Ausstattung ihrer Hügelgräber spiegelt deren wirtschaftliches und kulturelles Potenzial wider“, weiß Susanne Tiefengraber. Die führende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Iron-Age-Danube-Projekts an der Universität Graz ist seit Jahren aktiv an den Ausgrabungen und Forschungen des Instituts für südostalpine Bronze- und Eisenzeitforschung ISBE in der Region beteiligt.
Zu ihrem Team gehören die Nachwuchsforscherinnen Regina Klöckl und Stefanie Gaberz. „Wir entwickeln innovative und nachhaltige Konzepte zur touristischen Nutzung der Mikroregion Strettweg, wie etwa archäologische Wanderungen und Radtouren“, berichtet Klöckl von einer ihrer Hauptaufgaben. Außerdem erarbeiten die beiden Programme zur Kulturvermittlung, die beispielsweise von Museen oder Schulen eingesetzt werden können, darunter Workshops oder Projekttage für Kinder und Jugendliche.
„Wir recherchieren und sammeln auch Informationen zu den eisenzeitlichen Fundstellen in Österreich, um sie für eine Online-Datenbank aufzubereiten“, so Gaberz. Diese Datenbank, die für die gesamte europäische Projektregion entwickelt wird, soll der Forschung als wichtige Quelle dienen.
Faszinierende Archäologie
„Es ist spannend, einen Einblick in den Alltag früherer Zeiten zu bekommen und dabei festzustellen, dass es neben den Unterschieden meist noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Leben der Menschen einst und heute gibt“, ist Klöckl von ihrem Fach begeistert. „Mich faszinieren Zusammenhänge, etwa zwischen dem Schicksal Einzelner und den Lebensumständen einer Gesellschaft oder, wie im aktuellen Projekt, die überregionalen Gemeinsamkeiten, die unterschiedliche lokale Kulturlandschaften miteinander verbinden“, ergänzt Gaberz.
Das EU-Projekt bietet den beiden viele Gelegenheiten, Erfahrungen für ihre weitere Karriere zu sammeln. „Besonders wertvoll finde ich den Austausch mit langjährig tätigen WissenschafterInnen sowie die Besuche in anderen für die Eisenzeit sehr bedeutenden Fundstätten mit speziellen Einblicken in den aktuellen Forschungsstand, etwa bei Führungen der leitenden ArchäologInnen“, erzählt Klöckl, die in der Wissenschaft ihren Weg sieht. Gaberz schätzt neben dem Austausch die abwechslungsreiche Arbeit. Sie möchte auch weiterhin mit viel Engagement in ihrem Fachbereich tätig und dabei offen für neue Wege der Archäologie sein. „Wissenschaft und Praxis vereinen zu können“, das wünscht sich die junge Forscherin, die derzeit an ihrer Dissertation arbeitet.
Voting für den RegioStars Award 2018
Das Konzept und die bisherigen Ergebnisse von Iron-Age-Danube haben nun eine Auszeichnung erfahren: Das durch das Interreg-Programm geförderte Vorhaben ist unter den 21 Finalisten im Bewerb um den RegioStars 2018 Award, nominiert in der Kategorie 5 als eines der fünf bedeutendsten Kulturerbe-Projekte Europas. Der Preis wird für originelle und innovative Projekte, die als Best-Practice-Beispiele für Regionalentwicklung dienen können, vergeben.
Über den Sieg entscheidet eine öffentliche Abstimmung. Bis 7. Oktober 2018 kann auf der Webseite der RegioAwards 2018 für Iron-Age-Danube gevotet werden.