Können sich heutige Regierungschefs bei der Krisenbewältigung etwas von Cäsar und Perikles vor mehr als 2000 Jahren abschauen? Denn auch die Staatsmänner und Herrscher der Antike mussten Katastrophen managen. Wie sich deren Strategien in Architektur, Religion und Literatur ausdrückten, werden junge ForscherInnen sichtbar machen.
Rom kämpfte gegen Überflutungen des Tiber. Athen musste sich gegen die Knappheit von Bodenschätzen wappnen. „Nicht nur wir erleben derzeit eine Krise. Kriege, Krankheiten und andere Katastrophen beschäftigten auch die Menschen im antiken Mittelmeerraum“, erklärt Anna-Katharina Rieger, Forscherin am Institut für Antike der Universität Graz. „Wir wollen wissen, wie diese Unsicherheit die Menschen sowie die Gesellschaft verändert hat und wie wir das mit der Gegenwart vergleichen können.“ Für diese Spurensuche hat Rieger gemeinsam mit Christopher Schliephake (Leitung) und Andreas Hartmann von der Universität Augsburg ein Forschungsnetzwerk der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworben.
Sicherheit und Stabilität
Wie erholten sich griechische Stadtstaaten von verlorenen Schlachten? Entweder sie steckten sie den Kopf in den Sand oder deuteten selbst die Niederlage als Sieg – Parallelen zwischen Antike und Gegenwart sind dabei keineswegs zufällig.
Und wie das Krisenmanagement in literarischen Stücken, Bauwerken oder Götterfiguren zum Ausdruck kam, werden NachwuchsforscherInnen des Netzwerks unter die Lupe nehmen.
„Diese Epoche ist für uns heute noch ein wichtiger Bezugspunkt“, erinnert Rieger etwa an römisches Recht oder Demokratie-Verständnis. Ein Blick auf die Geschichte sei zudem ein Spiegel. „Auf Basis sowohl des Erinnerns als auch des Vergessens machen wir den nächsten Schritt. Die Erinnerung einer Gesellschaft ist gleichsam eine Rückversicherung, dass wir vorwärtskommen.“
Diese Rückschlüsse seien gerade aus schwierigen Situationen und Bedrohungsszenarien vor mehr als zwei Jahrtausenden möglich. Die Wissenschafterin begründet: „Im Mittelpunkt vieler Strategien stand die Vermittlung von Sicherheit und Stabilität.“ Damals wie heute. Was einst ein Schwur war, ist gegenwärtig das gebetsmühlenartige Wiederholen eines Begriffs wie „neue Normalität“. Denn so wurde Risiko und Angst etwas entgegengesetzt, um widerstandsfähig, also resilient, zu sein.
Ruhepol und Gegenwelt
In der Antike waren es zum Beispiel neue Gottheiten oder religiöse Strömungen, die an Bedeutung gewannen. „In unruhigen Zeiten suchten die Menschen auch damals eine Art Ruhepol oder konstruierten eine Gegenwelt.“ Oder Herrscher reagierten in Form von Tempelanlagen, die integrierend und regenerierend wirken sollten.
Konkrete Beispiele werden ab Herbst 19 junge WissenschafterInnen aus sieben Ländern an den Universitäten Graz und Augsburg untersuchen, gefördert werden sie von der DFG mit insgesamt 19.000 Euro.
Die Verbindung von Antike und Gegenwart steht ebenso bei einem internationalen Graduiertenkolleg an den Universitäten Graz und Erfurt im Mittelpunkt. „Resonante Weltbeziehungen in sozio-religiösen Praktiken in Antike und Gegenwart“ läuft für weitere vier Jahre bis 2025.