Schräge Töne, ungewohnte Klänge, oder gar Krach? Zeitgenössische Musik geht nicht unbedingt immer so ins Ohr wie Vivaldi oder Mozart. Aber sie rüttelt uns auf, stellt uns kritische Fragen, verlangt mehr Offenheit. Was kann man mit Kunst über uns und unsere Gesellschaft herausfinden? Die Antwort darauf sucht Musikwissenschafterin Susanne Kogler in ihrer Forschung. Kompositionen aus dem 20. und 21. Jahrhundert sind für sie besonders aufschlussreich. „Sie vermitteln uns eine neue Erfahrung, zwingen uns, Ungewohntes zu hören und auf Unerwartetes zu reagieren“, fasst die gebürtige Leobnerin zusammen, die seit Oktober 2020 neue Professorin am Institut für Musikwissenschaft der Uni Graz ist. „Das bewusste Zuhören zu lernen, ist auch im Alltag extrem wichtig“, ist die Forscherin überzeugt, die zuletzt an der Kunstuniversität tätig war. „Sich dem Augenblick zu öffnen, abzuwarten und Überraschungen zuzulassen stärkt unsere Resilienz, gerade in Krisenzeiten.“
Zeitgenössische Werke sind für Kogler auch deswegen besonders attraktiv, weil sie bewusst Konventionen brechen, Grenzen überschreiten, Genres und Gattungen verschmelzen lassen. „Auch das macht uns offener, hilft uns in unserem täglichen Umgang, Grenzen zu überwinden, neue Standpunkte einzunehmen oder zumindest zu verstehen“, so die Wissenschafterin.
Kritische Standpunkte und politische Botschaften sind ein Thema, dem sich die doppelt Habilitierte – in Musikwissenschaft an der Uni Graz und in Historischer Musikwissenschaft an der Kunstuniversität Graz – in einem ihrer Schwerpunkte widmet. „Zur Frage, wie man ästhetische Erfahrung mit politischer Relevanz versehen kann, erforsche ich die Texte von Hanna Arendt“, berichtet Kogler. Nicht nur Noten, sondern auch Worte haben es ihr nämlich angetan: „Mein Studium der klassischen Philologie an der Universität Graz hat mich sehr geprägt.“ Folglich beschäftigt sie sich viel mit Musiktheater, ganz besonders mit den Werken von Olga Neuwirth, über die sie unlängst mit Stefan Drees ein Buch herausgegeben hat: „Kunst als Spiegel realer, virtueller und imaginärer Welten“ ist im Leykam-Verlag erschienen.
An ihrer „Heimat“-Universität will Kogler nun diese Forschung fortsetzten und dabei unbedingt auch den Nachwuchs einbinden. „Hier an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät in einem dynamischen, internationalen Team arbeiten zu können, ist spannend und bereitet mir sehr viel Freude.“