Ausgewählte Projekte 2019
Die Anschubfinanzierung für das Jahr 2019 wurde an fünf Forschungsvorhaben vergeben:
- HORVÁTH, Levente: Die Entwicklung der Grenzregion zwischen der heutigen Steiermark und Ungarn von 907 bis 1526
- LEHNER, Manfred: Pagane Höhenheiligtümer der späten römischen Kaiserzeit am Südostalpenrand
- PAULO, Norbert: Empirisch informierte Moralepistemologie
- TAUSEND, Klaus: Krieg und Ritual in den spätbronzezeitlichen Kulturen des östlichen Mittelmeerraumes
- WINSLOW, Sean: Madgwas: Datenbank für äthiopische Einbanddekoration
Die Entwicklung der Grenzregion zwischen der heutigen Steiermark und Ungarn von 907 bis 1526 |
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HORVÀTH, Levente |
Die heutige Steiermark, insbesondere die Oststeiermark, stellte in der mittelalterlichen Epoche seit der ungarischen Landnahme (seit 894 fassbar) eine Grenzregion zum ungarischen Fürstentum und späterem Königreich dar. Die politische Grenze war während der mittelalterlichen Epoche dynamisch, als Eckdaten für eine Untersuchung bieten sich zwei große Zäsuren an: Die Schlacht bei Pressburg im Jahr 907, die zu Gebietsverlusten des Ostfränkischen Reiches führte und die Schlacht bei Mohács, nach der das Königreich Ungarn nominell an die Habsburger fiel, zum Großteil aber vom osmanischen Reich kontrolliert wurde. |
Pagane Höhenheiligtümer der späten römischen Kaiserzeit am Südostalpenrand |
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LEHNER, Manfred |
Ausgangspunkt der Projektidee ist das seit 2015 von der Universität Graz archäologisch erforschte römisch-spätantike Heiligtum am Schöckl-Ostgipfel (1423 m. ü. M.). Der Habitus des Opferplatzes entspricht eindeutig einer römisch paganen Kultpraxis. Die Hauptfrage des Projektvorhabens ist, ob der Schöckl eine Ausnahmeerscheinung darstellt oder ob auf vielen der südostalpinen Inselberge mit altbekannten römischen Einzelfunden solche Heiligtümer zu erwarten sind. Ein guter Forschungsstand zur Thematik besteht bisher vor allem an Rhein und Donau und da vor allem im stadt- und zentrumsnahen Umfeld (v.a. Trier). Daran schließt sich die Frage, ob das Phänomen römischer Höhenheiligtümer „imperiumsweit“ zu beobachten ist oder ob pagane Höhenheiligtümer des 3. und 4. Jahrhunderts „provinzielle“ Regionalerscheinungen sind. Hochalpine Höhenheiligtümer (Schlern, Hochtor, Großer St. Bernhard) stehen häufig im Gefolge prähistorischer Brandopferplätze oder liegen bei Passstationen römischer Alpentransversalen. Bei ostalpinen Plätzen (Dachstein, Steiner Alpen, Koralpe) ist die Diskussion um die Interpretation zwischen Almwirtschaft und Höhenheiligtum im Gange. Erstmals kann nun anhand der Schöcklbefunde ein dezidiertes Höhenheiligtum der fortgeschrittenen Kaiserzeit im Südostalpenraum ausgewertet werden. Eine mikroregionale bzw. in einem weiteren Schritt makroregional angelegte Studie kann die traditionelle Denkart zu solchen Phänomenen in anderen Gegenden des Römischen Imperiums, wo sie oft als lokale Sondererscheinungen klassifiziert werden, aufschnüren helfen. Im Laufe des vorerst auf 2 Jahre ausgelegten Projekts können Fragen zur Vor- und Nachnutzung der Plätze, zur baulichen und infrastrukturellen Ausstattung, zur durchlaufenden oder saisonalen Nutzung, zur Einwirkung ortstypischer Naturerscheinungen auf den Kult, zum Verhältnis zum frühen Christentum, zum Hin und Her zwischen kultischer und militärischer Nutzung von Aussichtslagen, zum Einzugsbereich und zur Genderthematik der Weihenden, zum Verhältnis zu gleichzeitigen Siedlungszentren, nach Unterschieden zu stadtnah gelegenen Heiligtümern und auch zu den wirtschaftlichen Grundlagen gestellt werden. Es kommen neben den relevanten archäologischen Methoden (Prospektion, Stratigrafie, Vergleichsanalyse, Darstellung als GIS-Projekt etc.) auch die facheinschlägigen Methoden der heranzuziehenden NaWi-Disziplinen (Datierung, Archäozoologie, Paläobotanik, Materialanalyse, Geologie/Mineralogie) zum Einsatz. Attraktivster Punkt der Disseminationsstrategien ist eine außerhalb des Projekts finanzierte, aber während der Projektlaufzeit 2020 stattfindende Sonderausstellung zu den Schöcklfunden am Universalmuseum Joanneum. Eine Gesamtpublikation der Ergebnisse erfolgt nach Projektende getrennt von einer rein archäologischen Schöckl-Grabungspublikation. |
Empirisch informierte Moralepistemologie |
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PAULO, Norbert |
Die philosophische Ethik bezieht sich vielfach auf Intuitionen über die moralische Beurteilung von Einzelfällen, die man empirisch untersuchen kann. Ethiker_innen versuchen jedoch nicht bloß zu verstehen, warum wir diese oder jene Intuitionen haben; sie wollen herausfinden, welche Prinzipien diese Intuitionen erklären und systematisieren können. Welche Rolle empirische Forschung in diesem Rechtfertigungsprozess genau spielen kann, ist umstritten. |
Krieg und Ritual in den spätbronzezeitlichen Kulturen des östlichen Mittelmeerraumes |
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TAUSEND, Klaus |
Die Zeit zwischen 1400 und 700 v. Chr. war in allen Gebieten des östlichen Mittelmeerraumes, in Griechenland, Kleinasien, Vorderasien und Ägypten, von vielen Umbrüchen und Veränderungen – meist kriegerischer Natur – geprägt. In einer Zeit, in der kultische und rituelle Praktiken noch einen ungleich höheren religiösen, gesellschaftlichen und sogar politischen Stellenwert hatten, ist zu erwarten, dass man in all diesen Gebieten auf solche Veränderungen kultisch und rituell reagiert hat. In erster Linie gilt dies für den durch Riten dominierten Bereich des Krieges. Es soll daher untersucht werden, ob in den einzelnen Kulturräumen eine veränderte Weltbeziehung feststellbar ist, ob solche allfälligen Änderungen mit den aufgezeigte Umbrüchen in Zusammenhang gebracht werden können, und schließlich, worin die Veränderungen in der religiösen Praxis bestanden. Viele von diesen Veränderungen ereigneten sich zeitgleich und sind auf gemeinsame oder zumindest verwandte Ursachen zurückzuführen. Es soll daher festgestellt werden, ob Umwälzungen, die durch ähnliche Vorgänge verursacht wurden, auch ähnliche Reaktionen auf dem Gebiet der religiösen Praxis hervorgerufen haben, und ob solche vergleichbaren rituellen Veränderungen unabhängig voneinander sich einstellten, oder aber aufgrund wechselseitiger Beeinflussungen. Es soll also der Frage nachgegangen werden, ob Ereignisse, welche zum Teil die gesamte Welt der Hochkulturen erschüttert und in der einen oder anderen Weise verändert haben, auch auf kultisch-rituellem Sektor vergleichbare Spuren hinterlassen haben. |
Madgwas: Datenbank für äthiopische Einbanddekoration |
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WINSLOW, Sean Michael |
Äthiopien beheimatet die einzige noch bestehende, ununterbrochene Tradition christlicher Handschriftenproduktion. In dem Land, das aufgrund geopolitischer und religiöser Faktoren fast 700 Jahre isoliert war, blieben viele Praktiken aus dem Mittelalter wie die Herstellung von Pergamentmanuskripten erhalten. Die daraus entstandenen Handschriften sind ein in der Forschung bisher kaum untersuchter Bestandteil der breiteren europäischen bzw. mediterranen Manuskripttradition. Ressourcen zur Datierung und Beschreibung äthiopischer Handschriften sind im Vergleich zu ihren europäischen Entsprechungen unzureichend vorhanden. |